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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0538

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XV. Mittelalterliche Astronomie und neuere Forschung.

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gestehen, dafs sie von dem Hülfsmittel, das ihnen Ihn Esra bot, einen
mäfsigen und meist erlaubten Gebrauch gemacht haben. Sie lehnten
es ab, ihrerseits die drei Sphären des Ibn Esra zu datieren (p. 442).
Aber wenn sie in der persischen Sphäre des Ibn Esra jene Virgo
pulchra lactans puerum fanden, so konnten sie den Schlufs, dafs
hier ein Zusammenhang mit dem Bilde in Dendera bestehe, gar nicht
umgehen, und die Zeit hat ihnen ja nun auch Recht gegeben. Das
Gleiche gilt für die Konstellation des Pflügers. Weniger glücklich
waren sie bei ihren Versuchen, den Sistrumspieler der ägyptischen
Sphäre mit musizierenden Gestalten bei Ibn Esra zusammenzubringen.

Den Mangel einer kritischen Zerlegung jener drei Sphären in
ihre Bestandteile haben natürlich auch Jollois und Devilliers mit
ihrem Meister Dupuis gemein. Als nach Letronne's und Champollion's
epochemachenden Untersuchungen die wilde Flut von Hypothesen end-
lich sich verlief, da wurde trotz zähen Widerstandes ein Rüstzeug um
das andere von Dupuis' wissenschaftlicher Methode still bei Seite ge-
legt, um nur gelegentlich wieder in Anwendung zu kommen. Das
Urteil, das Letronne über die Sphären des Ibn Esra sprach, verdient
in seinem Wortlaut angeführt zu Werden. cLa plus simple applica-
tion de la critique fait rejeter les trois spheres tirees d'Aben Ezra par
Scaliger et la sphere Egyptienne du pere Kircher (en les supposant
authentiques), auxquelles ils (Bailly, Dupuis et leurs partisans) ont
attache une importance, qu'elles ne meritent guere'. Man fühlt, dafs
Letronne sogar Zweifel an der Echtheit dieser sämtlichen Sphären
hegte; und doch lautet sein Verdikt nicht ganz so scharf und be-
stimmt, wie man es bei ihm gewohnt ist. Es ist das kein Wunder;
Ubereinstimmungen wie die zwischen der Jungfrau mit dem Knaben
oder dem Pflüger in der cpersischen' Sphäre des Ibn Esra und den
analogen Figuren in Dendera waren ihm natürlich bekannt und
konnten auch ihm nicht zufällig erscheinen. Aber die methodische
Forderung, diese Texte bei Seite zu lassen, deren Herkunft, Alter und
Bestandteile bei Ibn Esra Niemand mehr zu erkennen vermochte, hat
er trotzdem mit vollem Recht und mit aller Entschiedenheit erhoben.
Und Letronnes Urteil, zu dem Idelers beredtes Stillschweigen von
dieser Uberlieferung kam — soviel ich mich erinnere, erwähnt er nur
in den Untersuchungen über den Ursprung der Sternnamen eine Stelle
aus Abu Macsar, die ihm in Bayers Uranometria begegnet war —, hat
seine Wirkung nicht verfehlt. Niemand von denen, die seitdem ge-
legentlich oder ex professo über die Sphaera barbarica des Nigidins
oder Firmicus gesprochen haben, hat sich bei den Seiten von Scaligers
 
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