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84 Zweiter Abschnitt. Die liturgische Gewandung.

Orden. Es wird in diesen nämlich beim Anziehen nicht sogleich um den
Hals gelegt, sondern auf dem Kopf belassen, und zwar seihst noch nach An-
legung der Kasel bzw. der Levitengewänder, und erst am Altar mit der
unter ihm befindlichen Kapuze auf den Nacken herabgeschlagcn. Natürlich
gestattet eine solche Anlegungsweise des Humerales auch heute noch eine
Saum Verzierung.

Umgelegt wird das Humerale nach römischem Brauch vor der
Albe, im ambrosianischen Ritus dagegen stets nach derselben. Wird es
aber in bestimmten Fällen zum Superpelliceum benutzt, so wird auch
nach römischem Ritus zuerst dieses letztere und erst dann das Schulter-
tuch angezogen.

2. Geschichte. Über den Ursprung des Amikts sind verschiedene
unhaltbare Ansichten aufgestellt worden. Ganz unhaltbar ist es z. B., wenn
man ihn als Nachbildung des Schultergewandes des jüdischen Hohen-
priesters, des Ephod, betrachtet; ebenso, wenn man ihn von der Kopf-
bedeckung der römischen Opferpriester herleitet; ferner, wenn man
gewisse mystische Erwägungen als den Grund seiner Aufnahme unter die
liturgischen Gewänder ansieht. Die Sache liegt viel einfacher. Das Hu-
merale ist nichts anderes als das im profanen Leben unter den Namen
amictus, focalc, palliolum, orarium usw. bekannte Hals- oder Schulter-
tuch, das bei allen Klassen in Gebrauch war und unter dem Obergewand,
namentlich unter der Dalmatik und der Pänula, gelragen wurde (Büd 65).
Die Gründe, welche im gewöhnlichen Leben die Verwendung eines
solchen Tuches veranlnßten, galten auch für den Gottesdienst, und hier
sogar noch mehr, da die oft wertvollen liturgischen Kleider namentlich
im Sommer einer Vorkehrung gegen zu frühes Beschmutzen durch Schweiß
bedurften, im Winter aber der Zug und die Kälte in den Kirchen einen
besondern Schutz gegen Erkältung angebracht erscheinen ließen.

Erwähnt wird das Humerale als eines der liturgischen Gewänder
zuerst gegen Ausgang des 8. Jahrhunderts im sog. ersten römischen
Ordo' unter dem Namen anagolaium (verderbt aus ävaß&atov), doch
fand es zweifellos schon weit früher als solches Verwendung. Es muß
als Bestandteil der liturgischen Kleidung zu Rom in Gebrauch gekommen
sein, bürgerte sich aber dann zur Karolingerzeit auch im übrigen Abend-
land ein, wo es schon im Beginn des 9. Jahrhunderts von Hrabanus und

1 Die römischen Ordines (ordines Koinani), Sammlungen von Rubriken, gehen
an, in welcher Weise und unter welchen Zeremonien tu Rom die liturgischen Funk-
tionen vollzogen wurden. Die ältesten behandeln meist nur den Meßritus, den
Tnufritus oder den Weiheritus, die Ordines des zweiten Jahrtausends vorherrschend
die einzelnen gottesdicnstliclien Fetern des Kirchenjahres. Mjibillon hat 15 dieser
Ordines in dem zweiten Bande seines «Museum Ilalicum» zusammengestellt, die zum
Teil bis dahin noch nicht veröffentlicht worden waren. Man pflegt daher diese 15
römischen Ordines die Ordines M^billons zu nennen. Die ältesten reichen bis ins
3. Jahrhundert hinauf.
 
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