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Drittes Kapitel. Die I'aramcntc des Kelches und Ziboriums. I. Das Korporale. 235

bisweilen vorgekommen, und zwar zu allen Zeiten des Mittelalters. Vom
Gedanken getragen, daß selbst das Beste für das heiligste Sakrament
kaum gut gentig sei, hat man auch wohl Seide zu den Korporalien ge-
braucht. Wir finden sogar im Inventar von St Peter zu Rom aus dem
Jahre 1475 «umim pulchrum corporale de serico albo cum flore de auro
texto», also ein Korporale aus weißem Goldbrokat, und noch 1598 sah sich
eine Synode von Verdiin veranlaßt, ausdrücklich die Anfertigung seidener
Korporalien zu verbieten. Immerhin waren solche Korporalien aus Seide,
wie die Inventars zeigen, zu keiner Zeit häufig.

Sehr beträchtlich waren die ursprünglichen Maßverhältnisse des
Korporales. Noch im 8. und 9. Jahrhundert war es so groß, daß beim
Amt zwei Diakone erforderlich waren, es auf der Mensa auszubreiten;
der eine spreitete es, nachdem er es vom Subdiakon erhalten hatte, auf
der rechten Seite des Altars aus, der zweite auf der linken. Selbst um
1000 war es nach dem sechsten romischen Ordo Mabillons noch so groß,
daß es die ganze Oberfläche der Mensa einnahm. Ein Korporale aus dem
Ende des 12. Jahrhunderts, das in der Kartause zu Valsainte in der Schweiz
aufbewahrt wird, mißt 1,21 cm in der Breite, bei 0,466 cm in der Tiefe.
Im späten Mittelalter halten indessen, wie aus zahlreichen bildlichen Dar-
stellungen hervorgeht, die Maße des Korporales bereits so sehr abgenom-
men, daß sie sich in den meisten Fällen kaum mehr von den heutigen
unterschieden haben dürften.

Mit dem Wechsel in den Abmessungen hatte sich jedoch auch ein
solcher in der Form vollzogen. Die ältere Gestalt des Korporales
war die eines Rechtecks, dessen Breite etwa vier Drittel der Tiefe be-
trug. Das spätmittelalterlichc Korporale hatte dagegen wie das heutige
in der Regel Quadratform.

Die größeren Maßverhältnisse, die das Korporale in älterer Zeit besaß,
und seine oblonge Form erklären sich zum Teil daraus, daß die heiligen
Gefäße damals größer waren und darum mehr Raum einnahmen, haupt-
sächlich aber lagen sie in dem Umstand begründet, daß das Korporale
nicht bloß als Unterlage der Opfergaben diente, sondern auch zur Be-
deckung des Kelches. «Wir bitten dich, o Herr, heilige, segne
und weihe diese Linnentücher zum Gebrauch für deinen Altar, sowohl
damit der Leib und das Blut deines Sohnes Jesus Christus über ihnen
konsekriert als mit ihnen bedeckt und verhüllt werden», heißt es dieser
Sitte entsprechend in einem Benediktionsgebet der Korporalien im sog.
Egberts- und in andern Pontifikalien. Die Sitte, das Korporale auch als
Hülle und Decke zu verwenden, scheint im 13. Jahrhundert noch mancher-
orten bestanden zu haben, im ausgehenden Mittelalter war das jedoch nur
wenig mehr der Fall. Ganz starb sie indessen nie aus; denn sie hat
sich bis heute bei den Kartäusern erhalten. Im 18. Jahrhundert fand Lebrun-
Desmarettes sie auch noch in einigen Kathedralen Frankreichs, wie in
denen zu Lyon und Chartres.
 
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