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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0402
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384 Zweiter Abschnitt. Das altare fnum

zur Einführung von Nebenaltären im Sinne und vom Charakter der Neben-
altäre des lateinischen Ritus. Am treuesten hat an dem ursprünglichen
Brauch, der nur einen einzigen Altar kannte, der griechische Ritus
festgehalten. Noch heute gibt es in allen Kirchen desselben, gleichviel wel-
chem seiner Zweige sie angehören, bloß einen Altar.

Scheinbar nicht so ganz streng nimmt man es in anderen Riten, wie z. B. bei
den Armeniern, den Maroniten sowie namentlich bei den Kopten, in
deren Kirchen sich bisweilen drei, ja fünf Altäre befinden, und zwar nicht als eine
Einrichtung, die erst aus jüngerer Zeit stammt, da schon Kirchen, die hoch in das
Mittelalter zurückreichen, jene Mehrzahl von Altären zeigen1. Freilich auch nur
scheinbar. Denn zwischen den Nebenaltären, wie sie im koptischen Ritus in Ge-
brauch sind und sonst noch etwa in orientalischen Riten vorkommen, und den-
jenigen des lateinischen Ritus besteht ein wesentlicher Unterschied. Jene sind näm-
lich, wenn man genauer zusieht, nicht sowohl Nebenaltäre, als vielmehr ebenfalls
Hauptaltäre, wenn auch nur Hauptaltäre zweiter Ordnung, Ersatzhauptaltäre, für
bestimmte hohe Feste, wie Weihnachten, Ostern, Kreuzerhöhung u. a., an denen
man nicht, wie an den anderen Tagen, bloß einmal, sondern zwei- oder gar mehrere-
mal die Messe feiert. Denn es gilt als unzulässig und den kirchlichen Kanones
widerstreitend, an einem Tage auf dem gleichen Altar mehr als einmal zu
zelebrieren. „Der Priester", heißt es im Nomokanon des Michael von Damietle
•(zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts), „darf auf dem Altar an einem Tag nicht zweimal
zelebrieren2", wofür der Jakobit Dionysius Bar Salibi (f 1171) als mystischen Grund
anführt, der Altar versinnbilde das Grab des Herrn, Christus sei aber nur einmal
im Fleische begraben worden, nicht vielmals, und darum dürfe auch auf einem
Altar an einem Tag nur einmal das hl. Opfer gefeiert werden3.

In den Kirchen der Kopten stehen deshalb auch jene Ersatzaltäre in einer
Reihe mit dem Altar, welcher zunächst und gewöhnlich zur Meßfeier benutzt zu
werden pflegt, fast in einer Linie mit ihm, und wie er nicht bloß hinter Schranken,
sondern auch in besonderen Kapellen4. Nach § 29 der koptischen Kanones des
Pseudo-Clemens sollen in jeder Kirche zwei Altäre sein, einer, der von einem Ort
zum anderen getragen werden könne, wie die Lade der Israeliten, die in der Wüste
getragen wurde, und ein anderer, der unbeweglich sei, feststehe5. Die in dieser Vor-
schrift zum Ausdruck kommende liturgische Praxis ist offenbar älter als die heute
bei den Kopten geltende; denn sie kennt erst einen einzigen feststehenden Altar in
den Kirchen. Leider ist das Alter der fraglichen Kanones kaum genauer bestimm-
bar, immerhin dürften sie bis wenigstens in die Frühe des 2. Jahrtausends zurück-
gehen. Ursprünglich wird man sich jenes Tragaltares bedient haben, wenn in einer
Kirche am gleichen Tage aus einem besonderen Anlaß eine zweite Messe gelesen
werden mußte. Später errichtete man zu dem Ende, vielleicht weil das nachgerade
häufiger vorkam und an bestimmten Tagen sogar die Regel geworden war, fest-
stehende Altäre.

In den Kirchen der Nestorianer gab es schon im 11. Jahrhundert, wie es
scheint, zwei Altäre, von denen der eine in der Apsis stand, der andere auf dem
Bema, einer im Schiff der Kirche befindlichen, erhöhten vierseitigen Plattform, seinen
Platz hatte". Bei den Armeniern wurde im 12. Jahrhundert manchmal in den

1 J. A. Butler, The ancient coptic churches ronis Expositio ministem oblationis c. 14 bel
of Egypt II (Oxford 1884) 23. Ass. Cod. lit. 1. 4, p. 2 (Romae 1752) 264.

* C. 33 bei W. Riedel, Die Kirchenrechts- 4 jjuuer a. a. O.

quellen des Patriarchats Alexandrien (Leipzig
1900) 102

Riedel a. a. O., 172

A. H. Connolly, Am
ofticii ecclesiae, ven
•Bibl. orient. II, 184 und Pseudo-Joannis Ma- t. 91 [Romae 1913] 196)

' Expositio liturgiae, versio c. 7 (SS. Syr. « A. H. Connolly, Anonymi auctoris exposi-

ser. 2, t. 93 (Paris 1903) 54. Vgl. Assemani, tio officü ecclesiae, versio I (SS. Syr. ser. A
 
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