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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0428
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410 Zweiter Abschnitt. Das altare fixum

Immerhin dürfte schon früh die Zahl der Seitenaltäre, die einer Wand
vorgebaut waren, die der freistehenden überwogen haben. Es lag das in der
Natur der Dinge. Wollte man den freien Raum in der Kirche nicht zu sehr
einschränken, so blieb nichts anderes übrig, als die Nebenaltäre hart an die
Wand zu rücken, namentlich aber in kleineren Kirchen sowie da, wo eine
größere Anzahl von Nebenaltären angebracht werden sollte.

Vorkarolingische Beispiele einer solchen Aufstellung der Nebenaltäre liefern
die Seitenaltäre in der Märtyrerbasilika und in S. Caliono zu Cimitile und der Altar
in der Unterkirche von S. Maria in Via Lata zu Rom, ein Beispiel aus dem 9. Jahr-
hundert der Altar im linken Seitenschiff von S. Maria Antiqua zu Rom. In der
zweiten Hälfte des Mittelalters herrschen jedenfalls die Nebenaltäre, welche einer
Wand vorgebaut sind, durchaus vor, besonders aber im ausgehenden Mittelalter.
Selbst in den Kapellen des Chorumganges der großen gotischen Kirchen standen
sie gewöhnlich nicht isoliert da, und nicht anders verhielt es sich in den Kapellen,
welche im späten Mittelalter oft das Langhaus seitlich zwischen den eingezogenen
Streben begleiteten, obschon sowohl in diesen wie in den Kapellen des Chor-
umganges häufig nicht das geringste Hindernis vorlag, den Altar frei hinzustellen.
Es werden praktische Erwägungen gewesen sein, die hiervon abrieten. Stand der
Altar in den Kapellen dicht an der Wand, so brauchte man keine Sorge auf eine
geziemende Behandlung seiner Rückseite zu nehmen. Außerdem gewann man vor
dem Altare Raum, hinter demselben aber vermied man einen wegen seiner Enge
zu nichts brauchbaren und darum zwecklosen Platz, der aber leicht zur Lagerstätte
für allerhand Gerumpel, sowie für Staub und Schmutz werden konnte.

Einem Hinterbau vorgesetzt sind die Nebenaltäre bis in das 16. Jahrhundert
hinein in Deutschland niemals. Das Retabel, mit dem sie ausgestattet waren,
saß dort wie beim Hochaltar so auch bei ihnen regelmäßig auf der Mensa selbst.
Wie man es in Italien, in Frankreich und Spanien hielt, ist angesichts
der Veränderungen, welche die Altäre des späteren Mittelalters daselbst in der
Folgezeit erlitten, vielfach nicht mehr festzustellen. Soweit ich indessen beobachten
konnte, wurden auch dort bis zum Einsetzen der Frührenaissance die Nebenaltäre
in der Regel nicht mit einem Hinterbau versehen. Eine Ausnahme machte man nur,
wenn das Retabel eines Nebenaltares zu groß und zu breit war, als daß es auf die
Mensa desselben hätte gesetzt werden können, seine Beschaffenheit also einen be-
sonderen Unterbau nötig machte wie z. B. bei dem Altar der Annakapelle in der
Kathedrale zu Burgos und der Katharinenkapelle des Domes zu Modena (Tafel 211
und 251). Selbst in Italien wurde bei Nebenaltären ein Hinterbau erst häufiger, als
dort in der Zeit der Frührenaissance die Marmorretabeln an Verbreitung gewannen.

In der Zeit der Renaissance sind die Nebenaltäre allenthalben nur noch
selten freistehend aufgestellt, unter der Herrschaft des Barocks aber wird das
bei ihnen geradezu Ausnahme. Schon in der Renaissance ist es Regel geworden,
sie der Wand vorzubauen. Dabei wird zwischen Altar und Wand gewöhnlich ein
Hinterbau eingeschaltet, der beiderseits mehr oder weniger über den Altar hinaus-
tritt, das schwere Retabel nebst den Leuchterbänken, wo solche angebracht sind,
trägt und namentlich in der Zeit des Barocks kaum jemals fortgelassen wird. Bei-
spiele anzuführen, ist überflüssig. Sie finden sich überall in den Kirchen in größter
Zahl.

In den Riten des Ostens steht der Altar noch heute stets völlig frei im Altar-
raum, so daß man um ihn herumgehen und ihn bei seiner Weihe sowie bei der Feier
der Liturgie ringsum inzensieren kann. Nur wo die Enge des Raumes die Errichtung
eines freistehenden Altares nicht gestattet, legte und legt man ihn ausnahmsweise der
Wand vor.
 
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