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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0430
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412 Zweiter Abschnitt. Das altare fixum

erbauen, wird man zu unterscheiden haben. Wo noch, wie zu Rom, derartige
Altäre sich finden und in Gebrauch sind, wenn auch nur in geringer Zahl,
steht nichts im Wege, den vorhandenen neue hinzuzufügen. Wo es dagegen
dem Volk zugekehrte Altäre infolge alter rechtskräftiger Gewohnheit, welche
nur dem Volk abgekehrte Altäre kennt, nicht mehr gibt und der Priester bei
der Messe seit alters vor dem Altare steht, den Rücken dem Schiff der Kirche
zugewendet, ist auf keinen Fall der einzelne Priester aus sich befugt, den seit
langem zu Recht bestehenden und darum verbindlichen Brauch zu ändern.
Einer Ermächtigung von Seiten der Ritenkongregation bedarf er dazu freilich
nicht, da es kein allgemeinverbindliches Gesetz gibt, welches dem Volk zu-
gekehrte Altäre verbietet, wohl aber bedarf er der Zustimmung des Ordinarius,
dessen Sache es ist, zu entscheiden, ob jeweils ein genügender Grund vor-
liegt und es sich empfiehlt, von Brauch und Herkommen abzuweichen und
die Errichtung eines solchen Altares zu gestatten. Zweckmäßig dürfte übri-
gens eine solche Abweichung von der bestehenden Gewohnheit nur sehr
selten sein, da alle Gründe, welche seit wenigstens einem Jahrtausend dazu
führten, dem Altar die heute ihm fast allgemein eigene Richtung nach dem Chor-
haupt hin zu geben, auch noch für die Gegenwart, ja jetzt in verstärktem
Maße gelten. Man denke an die Vorschrift, auf dem Hochaltar ein Taber-
nakel für das Allerheiligste anzubringen, an die Leuchter und das Kreuz,
die auf dem Altar aufgestellt werden müssen, an das Retabel, das auf ihm
zu errichten zwar nicht Vorschrift, aber allgemeiner Brauch ist, an die Aus-
setzung des Allerheiligsten, die Austeilung der Kommunion und manche
andere Funktionen, die sich vor dem Altar zu vollziehen pflegen. Auch läßt
sich wohl kaum im Ernst behaupten, daß die Feier der Messe, zumal des
feierlichen Amtes und des Pontifikalamtes, gewinnen und das Volk zu einer
tieferen und lebendigeren Anteilnahme an diesen geführt werde, wenn sie
hinter dem Altar, zum großen Teil verdeckt durch ihn und durch das, was
auf ihm steht, geschehen.

II. DIE RICHTUNG DES ALTARES IN DER VERGANGENHEIT

Welche Verbreitung der Brauch, den Altar nach dem Volke hin zu rich-
ten, in vorkarolingischer Zeit im Abendlande hatte, läßt
sich nicht feststellen. Weder die schriftlichen Quellen, noch die Bildwerke,
noch endlich die Altäre und Altarfragmente, die sich aus derselben erhalten
haben, geben uns darüber befriedigende Auskunft. Nach dem Schiff hin
gewendet wurde der Altar wohl namentlich in drei Fällen.

Erstens in bischöflichen Kirchen, in denen sich hinter dem Altar in der
Apsis die Cathedra des Bischofs und die Sitze der sein Gefolge bildenden Priester
befanden. Es wäre zu umständlich gewesen, wenn der Bischof mit den Ministri von
seinem Thron im Scheitel der Apsis an die Vorderseite des Altares hätte gehen
müssen, so oft die heilige Handlung ihn an diesen rief. Zweitens, wenn der Altar
mit einer Confessio ausgestattet war. Denn dann drängte es die Gläubigen, möglichst
nahe an den Altar heranzukommen, um die unter ihm geborgenen Reliquien zu ver-
ehren und in die Vorkammer des Reliquiengrabes, die Confessio, Tücher und sonstige
 
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