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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0494
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476 Dritter Abschnitt. Das altare portatile

Das schöne Portatile im Domschatz zu Osnabrück (Tafel 85) wird oben ringsum
von einem gestanzten Palmettenfries aus vergoldetem Silberblech umrahmt. Unter
dem Stein, einer kleinen Bergkristallplatte, liegt eine Miniatur, eine Darstellung der
Majestas in langgezogener Raute mit den Symbolen der Evangelisten über den vier
Seiten dieser letzteren. Möglich, daß ursprünglich sich an Stelle des Kristalls ein
anderer Stein befand. Die Miniatur ist jedenfalls erst nachträglich angebracht
worden, da sie ihrem Stil nach erst dem 13.—14. Jahrhundert angehört. Weil sie
genau dem Platz entspricht, den sie einnimmt, muß sie für den Zweck, dem sie jetzt
dient, gemalt worden sein. Den Raum zwischen dem Stein und der eben erwähnten
Randeinfassung der oberen Seite füllen vier Elfenbeinplättchen, deren Reliefs deutlich
auf die Bestimmung hinweisen, welche das Portatile hatte. Neben der linken
Langseite des Steines sieht man einen Mann, welcher ein Lamm opfernd emporhebt,
indessen von ober her Gottes Rechte segnend aus Wolken hervorkommt — Abel —
neben der rechten einen Mann — Aaron —, der eine Garbe opfert, während die
segnende Rechte des Herrn auch hier wieder die Annahme des Opfers zum Ausdruck
bringt. Auf dem vor dem Stein befindlichen Plättchen ist Abrahams Opfer dar-
gestellt, auf dem an seine hintere Schmalseite sich anschließenden eine Scheibe mit
dem Gotteslamm, die von zwei Engeln gehalten wird. Der Vorsprung des Deckels
und Sockels ist an Platte wie Schräge mit vergoldetem Silberblech überzogen, das
jedoch nur an letzterer ornamentiert ist, und zwar mit dem gleichen Palmettenfries,
welcher die Oberseite des Portatiles umrahmt. An den Seiten des Portatiles sind
Elfenbeinreliefs angebracht, welche Szenen aus dem Leben des Heilandes wieder-
geben, die Verkündigung, Geburt und Anbetung des Jesuskindes durch die drei Weisen
(links), Christus am Kreuz (hinten), die Frauen am Grabe und Christi Erscheinung
im Kreise der Jünger (rechts) und die Auffahrt Christi (vorn). Füße fehlen. Das
Portatile gehört in seiner jetzigen Gestalt wohl erst dem späteren 12. Jahrhundert
an, seine Elfenbeinbekleidung, ein Gegenstück zu der des Seite 462 beschriebenen
kastenförmigen Tragaltares im Museum zu Darmstadt, jedoch wie diese dem Ende
des 11.

Die beiden Tragaltärchen im Domschatz zu Hildesheim sind sehr beschädigt.
Bei einem fehlt oben die Metallbekleidung vollständig, an den Profilen des Deckels
und des Sockels zum größten Teil. An den Seiten wird das Portatile durch ver-
goldete Silberblechstreifen, denen ein Rautenmuster eingestanzt ist, in fünf bzw. in
drei Felder geschieden, die mit Elfenbeinplättchen gefüllt sind (Tafel 91). Sie enthal-
ten kräftig vortretende Halbfiguren des Heilandes, Marias, Johannes' des Täufers, der
Apostel und Simeons. Maria ist durch Lilienstab und Apfel ausgezeichnet, Johannes
durch das Lamm; Simeon trägt das Jesuskind. Sehr interesssant ist die in Gold
auf braunschwarzem Firnisemailgrund ausgeführte Darstellung, welche die Unter-
seite des Portatiles schmückt, ein Widmungsbild ähnlich dem auf dem
Tragaltar des Bischofs Heinrich auf dem Paderborner Portatile. Wir sehen einen
Geistlichen in liturgischer Kleidung, ersichtlich den Stifter, mit dem Tragaltar zu
einem Altar hinzutreten, auf dem Kelch, Kreuz und Leuchter stehen. Die Füße
des Portatiles stellen eine Vogelkralle dar, welche eine Halbkugel umfaßt.

Von dem zweiten Portatile sind noch ursprünglich der Holzkern, die Serpentin-
platte auf der Oberseite und der Schmuck der Seiten, 16 Elfenbeinreliefs, Halbbilder
des Heilandes, der Apostel, Marias und zweier Engel, die durch senkrechte, mit
weißen Vierpässen auf blauem Grund gemusterte Emailstreifen voneinander getrennt
sind. Alles übrige ist das Werk einer im 17. Jahrhundert vorgenommenen
Restauration6. Das erste der beiden Hildesheimer Portatilien entstand um 1200, das
zweite ist etwas älter.

* Abb. und Beschreibung beider Portatilien bach 1913) 10 und Tfl. 13. Vgl. auch Zeitschrift
bei Bertram (nun Kardinal u. Fürstbischof v. XVII (1904), 41 f. u. Goldschmidt III, Tfl. XXXI»
Breslau), Hildesheims Kunstschätze (M.-Glad- XXXIV.
 
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