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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0616
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598 Vierter Abschnitt. Das Altargrab

Am häufigsten lagen die Reliquien bei den mittelalterlichen Tafel-
portatilien wohl oben in der Holztafel unter dem
Altarstein. Wenigstens läßt das der Weiheritus der Portatilien in den
Pontifikalien jener Zeit vermuten.

Es wurde zur Aufnahme der Reliquien in der Holzunterlage ein Grübchen
ausgehoben, dessen Größe sich richtete nach der Menge der Reliquien, die man
in dasselbe einschließen wollte. Da die Reliquien aus ganz kleinen Partikeln zu
bestehen pflegten, bedurfte es, trotzdem die einzelnen in ein Stückchen Seide ein-
gebunden wurden, beim Vorhandensein von nur wenigen derselben einer Höhlung
von bloß geringen Abmessungen. Allein nicht selten war die Zahl der Reliquien
eine bedeutende, und dann mußte natürlich auch das Sepulcrum entsprechend groß
und geräumig sein. Seiner Gestalt nach erscheint das Sepulcrum bald quadra-
tisch, bald, rechteckig. Ein kreuzförmiges findet sich unter dem Stein bei dem Tafel-
portatile des Weifenmuseums, dessen Altarstein aus einem Kristall besteht, des-
gleichen unter der den Altarstein bildenden Kristallplatte des Tragaltares Hein-
richs II. in der Reichen Kapelle zu München (Tafel 80).

Minder gewöhnlich war es, bei Tafelportatilien das Sepulcrum an der
Unterseite der Holztafel anzubringen, in welche der Stein ein-
gebettet war.

Ältere Beispiele für eine solche Anordnung, bei der der Altarstein natürlich
nicht als Verschluß diente, bieten das sog. Servatiusportatile in St. Servatius zu
Maastricht, das rot angestrichene Portatile im Weifenschatz und das schöne Por-
tatile im Museum zu Cividale. Sie kam also auch nicht erst im ausgehenden Mittel-
alter und in der beginnenden Neuzeit auf, sondern ist schon im 12. Jahrhundert
beliebt worden. Beispiele aus dem ausgehenden Mittelalter und dem 16. Jahr-
hundert sind das ehemalige Straubsche Portatile, das Portatile zu Diebolsheim, das
jüngere der beiden Portatilien in S. Emmeram zu Regensburg, die zwei Tafelporta-
tilien von 1535 und 1539 im Dommuseum zu Trier, das Portatile von 1497 sowie
der Tragaltar mit der eingravierten Kreuzesdarstellung im Dommuseum zu Augs-
burg4.

Auf der Oberseite des Holzrahmens dürften die Reliquien
seltener eingelassen worden sein.

Immerhin geschah auch das, wie z. B. das Portatile in der Kathedrale zu
Chartres, das Portatile aus Guttaring zu Klagenfurt, ja selbst noch das Tafelportatile
von 1561 im Trierer Dommuseum und das vorhin erwähnte Portatile im Augs-
burger Dommuseum bezeugen. Auch in den Inventaren begegnen wir bisweilen
Tragaltären, bei denen oben im Rahmen sich die Reliquien befanden. Zwei Bei-
spiele wurden schon angeführt5. Ein anderes verzeichnet das Inventar der Sainte-
Chapelle von Paris aus dem Jahre 1573: Un autel portatif . . . borde tour autour
d'argent dore, dans laquelle bordure sont plusieurs et diverses reliquies en quatorze
lieux6.

Eine eigenartige Einrichtung, die man sonst bei Portatilien nicht leicht wieder-
finden dürfte, zeigt ein 27 cm im Geviert messendes, 4 cm starkes Tafelportatile im
Nationalmuseum zu Kopenhagen. Der Stein, ein 6% X 7% cm großes Serpentin-
plättchen, das zugleich den Verschluß des Sepulcrums bildet, ist so tief in die Holz-
fassung, eine Tafel von Eichenholz, eingelassen, daß man ihn, um ihn zu schützen,
mit einem in seitlichen Nuten laufenden Holzschieber bedecken konnte.

4 Das letztgenannte Portatile hat oben in s Vgl. oben S. 490. Über eine Portatile mit

der vorderen Schmalseite der Holzfassung ein Reliquien in den Füßchen vgl. S. 446.
zweites Sepulcrum. • Revue archeol. 5e annee I (Paris 1848) 19o.
 
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