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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0618
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600 Vierter Abschnitt. Das Altargrab

unter tabula zu verstehen ist, ob eine eigene kleine Verschlußplalte oder die Mensa.
Eine sichere Entscheidung ist freilich nicht immer möglich.

Die Bezeichnung sigillum ist, ähnlich wie der Name sepulcrum, verhält-
nismäßig späten Datums.

Wenn in dem Pontiflkale von Narbonne3 und in dem Caeremoniale von Vieh
(beide aus dem 11. Jahrhundert) von einem Sigillum des Sepulcrums die Rede ist, so ist
nicht der Verschlußstein des Reliquiengrabes gemeint, sondern das bischöfliche
Siegel, welches der Konsekrator nach Verschließung des Reliquienbehälters auf den
Verschlußstein setzte. Cum autem clausae fuerint reliquiae, . . . aeeipiat episcopus
bitumen et reponat super loculum sepulchri et septies flgat ibi sigillum proprii
annuli, heißt es im Pontiflkale von Narbonne und fast gleichlautend im Caere-
moniale von Vieh*. Immerhin kommt die Bezeichnung schon bei Honorius, also
im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts vor, und zwar anscheinend als
ein bereits gebräuchlicher Terminus0. Das Einschließen der Reliquien nennt der
gleiche Liturgiker sigillare8. Im dritten Viertel des Jahrhunderts treffen wir
sigillum als Bezeichnung des Verschlußsteines des Reliquiengrabes in einem
Schreiben Alexanders III., das später in die Sammlung der Dekretalen Gregors IX.
aufgenommen wurde7, 1182 in des Reinerius Schriftchen De casu fulminis super
ecclesiam s. Laurentii Leod.8, um die Wende des Jahrhunderts bei Sicardus von
Cremona9.

In den Pontifikalien tritt das Wort erst spät auf. Man wird es schwerlich in
denselben vor dem 14. Jahrhundert finden und selbst in diesem wie dem 15. kommt
es in ihnen noch keineswegs häufig vor. Als Beispiele nenne ich ein Mainzer Ponti-
flkale des 14.—15. Jahrhunderts10 sowie die Pontifikalien Vat. lat. 1145 (geschrieben
1451)11, Vat. lat. 1152 und Vat. lat. 4748.

Daß man den Verschlußstein des Reliquiengrabes sigillum nannte, lag
daran, daß man ihn als das vom Bischof selbst angebrachte Siegel betrachtete,
durch welches derselbe die von ihm vorgenommene Reliquienrekondition be-
glaubigte, und das, so lange es unverletzt blieb, fortdauernd das Vorhandensein
der Reliquien im Sepulcrum bezeugte. In einem Pontiflkale des 12. Jahr-
hunderts in der Münchener Staatsbibliothek, Clm. 3909, heißt er deshalb
sehr bezeichnend tabula signatoria.

Reliquiae sigillantur, sagen Honorius und Sicardus, der Kanonist Nikolaus
de Tedeschis aber bemerkt zum Zweck der Erklärung des Terminus sigillum:
Ille lapis parvus vocatur sigillum, quia est instar sigilli. Nam sicut sigillum
denotat et signat ipsum sigillantem, ita ipse lapis denotat, locum (sc. foramen
quod clauditur parvo lapide) esse consecratum12. Bei Durandus, bei spätmittel-
alterlichen Kanonisten und in Pontifikalien des ausgehenden Mittelalters wird der
Verschluß des Reliquiengrabes als sigillum altaris, als Merkmal und Beweis der

• Mart. 1. 2, c. 13, ordo 8; II, 263 f. ' L. 3, tit. 40, c. 1.

• Eine ähnliche Rubrik begegnet uns in « M. G. SS. XX, 612: Fulmen... sigillum
einem Pontifikale der Vaticana aus dem An- marmoreum (des Hochaltares) in Septem par-
fang des 14. Jahrhunderts (Borgh. A. 14 1), in tes disolvit... Igitur sigilli fragmenta levan-
dem es heißt: Deinde — nach Auflegung der tes, plumbeam capsellam, quae sub ipso fuerat,
VerschluBplatte — liniat eamdem tabulam cum in qua sanetorum reliquiae continebantur, p<>st
calce ... et postquam linita fuit et s i g i 1 - altare transposuimus.

lata plumbo faciat crucem desuper de chnsmate. • Mitr 1 1 c 8 (M 213 33)

• Gemmae 1. 1, c. 170 (M. 172, 596): Si sigü- „ " ' ' ' „ "290. Lapis, qui

m imwuhip öc* npoofDnlum nl itornm r*nrt- • ^„n

lum amovetur, est praeeeptum, ut iterum con- . ... ' ' .' '. ' ' _iJ3L,«»- eignet.

secretur sigillum altaris dicitur, cum chnsmate mb'

• C. o. 1. 1, c. 166 (ebd. 595): Reliquiae in " Tabula, quae sigilli

altari sigillantur quia animae eorum in coelo ls Panormit., De con

collocantur. ad 2 (Lugd. 1512) 196.
 
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