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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0623
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Drittes Kapitel. Verschluß des Altargrabes 605

ein Kreuzchen aufweisen. Sie gehören meines Wissens zu den frühesten Beispielen
mittelalterlicher Altäre, die das Sigillum mit einem Kreuzchen ausgestattet zeigen.

Das älteste Beispiel eines mit Kreuzchen versehenen Sigillums wurde vor
etwas mehr als einem Jahrzehnt zu Vatterode im Mansfelder Gebirgskreis entdeckt.
Es besteht aus weißem Marmor, mißt bei einer Dicke von 3 cm 36,5 cm im Geviert
und zeigt oben fünf gleicharmige, an den Enden sich etwas verbreiternde Kreuz-
chen, vier kleine in den Ecken und ein großes, an allen vier Seiten bis nahe zum
Rande reichendes in der Mitte. An der Unterseite ist es mit einem linearen kreuz-
förmigen Ornament belebt; an den Rändern weist es hier eine Abschrägung auf. Das
Sigillum bildete den Verschluß des Sepulcrums eines Altares, welcher gemäß des in
ihm vorgefundenen Siegels von Bischof Hermann von Leal-Dorpat (1219—1245)
geweiht wurde. Es war aber damals nicht das erste Mal, daß es als Sepulcrumver-
schluß verwendet wurde. Das beweist eine oben in den Winkeln zwischen den Armen
des großen Kreuzes angebrachte, in Kapitellen etwa des 11. Jahrhunderts ausgeführte
Inschrift, welche, ergänzt, zu lesen sein dürfte: Ecce locus martyrum, Christi san-
guine martyres ubi requiescunt, und keinen Zweifel daran läßt, daß die Tafel bereits
im 11. Jahrhundert als Verschluß eines Altargrabes diente".

Von einer Vorschrift, auf dem Verschlußstein des Sepulcrums ein Kreuz-
chen anzubringen, hören wir im Mittelalter nie etwas. In nachmittelalterlicher Zeit
war es nur der hl. Karl, welcher eine solche erließ. In der Instructio fabricae
ecclesiae bestimmt er, wenn das Sepulcrum vorn oder hinten im Stipes angelegt
sei, solle in die dasselbe verschließende Steintafel ein Kreuzchen nebst dem Namen
der hinter ihr im Altar geborgenen Reliquien eingehauen werden. Es brauchte
also nach dem hl. Karl das Sigillum nicht in jedem Fall mit einem Kreuzchen
ausgestattet zu werden, sondern nur, wenn es sichtbar war13.

Wie man mit den Kreuzchen auf der Mensa die Stellen kenntlich machte, an
welchen der Bischof dieselbe bei der Altarweihe zu salben hat, so brachte man
auch auf dem Sigillum ein Kreuzchen wohl hauptsächlich an, um den Ort zu
bezeichnen, an welchem dieses nach dem Verschließen des Sepulcrums mit Chrisam
gesalbt werden muß.

Einen anderen Grund, auf dem Sigillum ein Kreuzchen anzubringen, deutet die
vorhin erwähnte Verordnung der Instruction fabricae ecclesiae des hl. Karl an. Man
wollte durch das Kreuzchen den Verschluß des Reliquiengrabes als solchen kenn-
zeichnen und dadurch zugleich dieses letztere äußerlich kenntlich machen. Daß es
in jener Verordnung des hl. Karl diesen Zweck hatte, ergibt sich aus dem bezeich-
nenden Umstände, daß es ihr zufolge nur dann in das Sigillum eingehauen zu
werden brauchte, wenn sich das Sepulcrum vorn oder hinten im Stipes befand.
Man wird aber auch wohl schon im Mittelalter bisweilen aus der gleichen Absicht
und mit der gleichen Bestimmung das Kreuzchen auf dem Verschlußstein angebracht
haben.

Endlich mag auch der Wunsch, das Sigillum mit einer bescheidenen Verzierung
auszustatten, in einzelnen Fällen Anlaß gewesen sein, es mit einem Kreuzchen zu
schmücken. So sind die Kreuzchen auf dem Verschlußstein von Vatterode sicher
auch als Dekor gedacht.

Der Verschlußstein eines Sepulcrums des 11. Jahrhunderts, welchen ich im
Museum zu Vieh sah, enthält auf der Ober- wie der Unterseite Namen von Per-
sonen, die entweder bei der Stiftung des Altares beteiligt waren oder der Konse-
kration desselben anwohnten. Sie ritzten ihre Namen wohl in ihn ein, um sich den
"1. Opfern, die auf dem Altar dargebracht werden würden, wie den Heiligen, deren

''MaQsfelder Blätter XIX (1905) 176 f. mit
Abb. Vatterode war im 11. Jahrhundert Som- '« L. 1, c. 15, De fenestr. reliq. (AA. eccl.).

meraufenthalt der Magdeburger Erzbischöfe Mediol. 572).
<Ad. der Prov. Sachsen XVIII, 209).
 
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