Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0627
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Viertes Kapitel. Inhalt des Reliquiengrabes 609

Von jeher wurden vornehmlich Märtyrerreliquien in das Altarsepulcrum
eingeschlossen, wie auch mit den Reliquien der Märtyrer dieser Brauch anhob.

Märtyrergräber waren es ja, über denen man zuerst Altäre errichtete, und
ebenso waren es zunächst die heiligen Überreste der Märtyrer, die man aus ihrer
letzten Ruhestätte erhob, um sie unter oder in die Altäre der Basiliken zu übertragen.
Erst als sich der Märtyrerkult auch auf die anderen Heiligen und ihre Reliquien
ausdehnte, als sich zu den martyres, die das Zeugnis ihres Glaubens mit Hingabe
ihres Blutes besiegelt hatten, die confessores gesellten, welche durch ein Leben
christlichen Opfergeistes und aller christlichen Tugenden ein heldenhaftes Bekennt-
nis ihres Glaubens abgelegt hatten, kamen zu den Märtyrerreliquien auch solche
anderer Heiligen, errichtete man wie über den Überbleibseln der hl. Märtyrer so
auch über denjenigen hl. Bekenner Altäre, setzte wie jene so auch diese unter dem
Altare bei. Die frühesten bekannten Beispiele von Bekennern, deren Leib man im
Abendlande unter dem Altare seine Ruhestätte gab, sind der hl. Ambrosius und ein
Schüler des hl. Martinus, der hl. Carus, welch letzteren Sulpicius Severus in einer
zu Primuliacum von ihm erbauten Basilika unter dem Altare bestattete3.

Wie sehr in vorkarolingischer Zeit die Märtyrerreliquien in dem Sepulcrum
überwogen, zeigen die früher mitgeteilten Inschriften spanischer Altarstipites mit
ihren Verzeichnissen der in diesen beigesetzten Reliquien. In der Karolingerzeit
haben jedoch die Bekennerreliquien, die man den Märtyrerreliquien beifügte,
bereits eine bemerkenswerte Zunahme erfahren, wie z. B. aus den von Alkuin und
Hrabanus verfaßten Altartiteln4 und der Liste der Reliquien, die Angilbert 799
bei der Weihe der Kirchen des Klosters Centula in den Altären derselben ein-
schließen ließ5, erhellt. Seit dem 10. Jahrhundert war die Zahl der Bekenner-
reliquien, die man zu den Märtyrerreliquien hinzu in das Sepulcrum legte, oft
sehr beträchtlich. Es kam sogar nunmehr bisweilen vor, daß man ausschließlich
oder doch fast ausschließlich Bekennerreliquien in den Altar einschloß, und zwar
schon im 10. Jahrhundert. So erhielt von den Altären der Krypta in St. Maximin zu
Trier, die 952 von Erzbischof Ruotbert konsekriert wurden, der Altar des hl. Bene-
dictus damals nur Reliquien der hl. Scholastica, des hl. Columban, des hl. Wig-
bert, des hl. Dissibodus und des hl. Florinus, der zu Füßen der Sarkophage der
hll. Maximin, Agricius und Nicetius stehende Altar, der zu Ehren der hl. Trierer
Bischöfe geweiht wurde, nur Reliquien der hll. Eucharius, Valerius, Maternus,
Agricius, Maximinus, Nicetius, Paulinus, Liutwinus, Quiriacus und Lubentius*.
Hier wie dort wurden also nur Reliquien von Nichtmärtyrern im Sepulcrum ein-
geschlossen. In den nördlichen Nebenaltar der Krypta von St. Maria im Kapitol,
der 1065 geweiht wurde, wurden die Reliquien der hll. Silvester, Martinus, Nikolaus,
Heribertus, Blasius, Benedictus, Ludgerus, Fortunatus, Goar, Amantius, Trudo, Simeon
gelegt7; unter den zwölf Heiligen, deren Reliquien in ihm geborgen waren, befand
«ich hier nur ein einziger Märtyrer.

Freilich waren derartige Fälle keineswegs häufig. Der Regel nach herrschten
unter den Reliquien, die im Sepulcrum beigesetzt waren, auch weiterhin die Mär-
tyrerreliquien vor. Als lehrreicher Beleg für dieses Festhalten am Herkommen
m°ge hier nur das nachfolgende, dem Original entnommene, noch ungedruckte
Reliquienverzeichnis dienen, welches bei der jüngsten Erneuerung des Hochaltares
der Kathedrale zu Anagni im Sepulcrum desselben gefunden wurde und dem

' Vgl. den schönen Titulus, welchen Pauli- 4 M. G. Poetae I, 305; II, 205.

m« von Nola für den Altar dichtete (Epist 32, . g^ chron Cen( , 4 (M. „<

"=■ Oi I* bS. eccl. 29, 281): Presbyter hie Situs .,.„

est merito et nomine Claims — Martine- stu- '' __,

a»s comes et meriti modo consors - Digna pio ' Studien und Mitteil, aus dem Benediktmer-

aomus est altaria, sub quibus artus - Condi- und Zisterzienserorden X (1889) 84.
™r, exanimo; nam spiritus aethere gaudet — ' H. Rathgens, Die Kirche St. Maria im Ka-

Uiscipulumque pari sociat super astra magistro. pitol (Düsseldorf 1913) 41.

Braun, Der christliche Altar I 39
 
Annotationen