Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0695
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zweites Kapitel. Der Altarweiheritus in der Vergangenheit 677

durch das gänzliche Fehlen von Rubriken als auch dadurch, daß zwar auf die Reli-
quienrekondition durch die Denuntiatio hingewiesen wird, im übrigen aber kein
Wort weiter über sie verlautet. Es ist wichtig, den durchaus fragmentarischen
Charakter der Altarweiheordines der drei Sakramentare zu beachten. Das ist nicht
immer genügend geschehen, und darum hat man sie zur Unterlage von Schlüssen
und Hypothesen gemacht, für welche sie als solche keineswegs ausreichen.

Noch weniger als das sog. Gelasianum bietet für die Kenntnis des Ritus der
Altarweihe das Gregorianische Sakramentar, das Hadrian I. zwischen 784 und 791
Karl d. Gr. auf dessen Ritte hin zur Einführung im Frankenreich zuschickte. Außer
der Dedikationsmesse, die in einer der Kollekten der im Altar beigesetzten Reliquien
gedenkt, in der oratio super oblata und der Präfation aber von der Weihe des Altares
handelt, enthält es nur eine kurze oratio, quando levantur reliquiae — um nämlich
im Altar beigesetzt zu werden — eine oratio in dedicatione ecclesiae und das Schluß
gebet nach der Rekleidung des Altares (oratio post velatum altare)*. Allerdings
findet sich in ihm auch die benedictio und consecratio altaris des Gelasianums, doch
nicht im ursprünglichen Teil, sondern in dem mit aller Wahrscheinlichkeit von
Alkuin zusammengestellten Supplement6, dessen Restandteile der Kompilator den im
Frankenland damals seit alters gebräuchlichen liturgischen Rüchern entnahm.

Es muß neben den Sakramentaren in vorkarolingischer Zeit ein besonderer
libellus vorhanden gewesen sein, in dem der Ritus der Kirch- und Altarweihe voll-
ständig aufgezeichnet war. In der Tat erwähnt noch die Synode von Celichyt 816 ein
derartiges Ruch, das sie liber ministerialis nennt. Ubi ecclesia aediücatur, sagt sie6,
a propriae dioecesis episcopo sanctificetur; aqua per semetipsum benedicatur, sparga-
tur et ita per ordinem complet, sicut in libro ministeriali habetur. Leider hat sich
keiner dieser libri ministeriales aus merowingischer Zeit erhalten, doch dürfte es
kaum zweifelhaft sein, daß die Pontifikalien des 9. Jahrhunderts in der Hauptsache
nichts anders sind als eben jener vorkarolingische liber ministerialis.

Vollständiger als der Altarweiheordo in den bisher genannten Sakramentaren
ist ein vorkarolingischer Ordo der Kirch- und Altarweihe in einem Sakramentar
aus Angouleme, das sich zur Zeit in der Nationalbibliothek zu Paris befindet7. Das
Sakramentar wurde um 800 geschrieben, der Altarweiheordo ist jedoch nach seiner
Sprache, spätmerowingischem Latein, die Abschrift einer Vorlage aus der letzten Zeit
der Merowinger und demnach wenigstens ein Jahrhundert älter als das Sakramentar.
ui das er aufgenommen wurde. Im Gegensatz zu den Ordines im Gelasianum, dem
Missale Francorum, dem Gellonense und dem Gregorianum enthält er keine Oratio-
nen, sondern nur Rubriken.

Die Weihe beginnt mit dem feierlichen Zug zur neuen Kirche. Rischof und
Klerus treten ein, die Reliquien aber, die man zum Zweck der Rekondition mit-
gebracht hat, beläßt man vorläufig draußen. Reim Eintritt in die Kirche beginnt der
Klerus die Litanei, nach deren Eeendigung man ein Gefäß mit Wasser und ein anderes
mit Wein dem Konsekrator reicht, der Wasser und Wein mischt, das Segens-
gebet Creator et conservator humani generis über die Mischung spricht und dann
die ganze Kirche mit ihr besprengt Ist diese Zeremonie beendigt, so tritt der Rischof
zum Altar, nimmt von dem geweihten Wasser, besprengt damit den Altar in der
herkömmlichen Weise — juxta traditionem suam, wie der Ordo angibt — und

Muratori, Liturgia romana vetus II (Na- versehene Gregorianum vgl. besonders P. S.

Poli 1760) 112. Besser ist die treffliehe Ausgabe Bäumer 0. S. B., Ober das sog. Sacramenta-

aes Sakramentars, die von H. A. Wilson (The rium Gelasianum in Histor. Jahrbuch XIV

^regorian Sacramentary (London 1915) besorgt (1893) 241 f. sowie A. Ebner, Quellen und For-

^"•de. Die auf die Weihe der Kirche und des schungen zur Geschichte des Missales (Freiburg

Attares bezüglichen Gebete finden sich S. 117 f. 1896) 374 f.
neueste Ausgabe von H.Lietzmann (Münster 1921). • C. 2 (H. IV, 1219).

Bei Wilson S. 184; bei Muratori S. 85. Ober ' F. lat. 816. Der Ordo wurde von Duchesne

as sog. Gelasianum und das mit Supplement veröffentlicht. Orig. 491.
 
Annotationen