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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0773
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Sechstes Kapitel. Die Symbolik des Altares 755

In den liturgischen Gebeten haben die mystischen Deutungen des Altares fast
keinen Ausdruck gefunden. In der Ermahnung, welche der Bischof bei der Sub-
diakonatsweihe an die Ordinanden richtet, wird der Altar unter Hinweis auf Off. 8, 3,
als Typus Christi bezeichnet, in der in das erste Jahrtausend zurückreichenden Prä-
fation der Altarweihe findet sich gegen Schluß ein Anklang an die tropologische
Auslegung82. Sonst erscheint der Altar in den Gebeten der Kirche, seiner Real-
bedeutung entsprechend, stets nur als die eucharistische Opferstätte des Neuen
Bundes. Es verhält sich also mit dem Altar ganz anders als mit den liturgischen
Gewändern, die auch in den liturgischen Gebeten reichlich zur symbolischen Aus-
deutung gelangten'3.

Das ausgehende Mittelalter weiß uns nichts Neues, nichts Eigenes über
die Symbolik des Altares zu sagen. Im Westen schuf Durandus um das Ende
des 13. Jahrhunderts sein Rationale, in dem er mit Bienenfleiß auch alles das
zusammentrug, was man bis dahin über dieselbe erdacht und geschrieben
hatte. Ihm entnimmt man seitdem, was man etwa über sie vorbringen will.
Übrigens begnügt man sich nun meist damit, den Altar auf Christi Kreuz zu
deuten, wie man ja auch die liturgischen Gewänder im endenden Mittelalter
mit Vorzug auf das Leiden des Herrn auslegte.

Eine Entwicklung macht sich in der Symbolik des Altares nicht geltend. Von
Anfang an treten alle Formen derselben nebeneinander auf. Osten und Westen
unterscheiden sich bezüglich der Deutung des Altares dadurch, daß jener die typolo-
gische und anagogische, dieser die typologische und tropologische bevorzugt. Auf
die formelle Ausgestaltung des Altares, seine Beschaffenheit und seine Einrichtung
hat die Symbolik, die man mit ihm verband, keinen Einfluß ausgeübt, sie in keiner
Weise und nach keiner Richtung hin bestimmt; sie ging vielmehr, wie auch bei den
liturgischen Gewändern, von dem bereits Bestehenden aus. Zu bedauern ist, daß man
bei der Symbolisierung des Altares nur an gewisse, immer wiederkehrende all-
gemeine Gesichtspunkte anknüpfte und nicht genug auf Einzelheiten in der Form,
der Ausstattung und Einrichtung des Altares einging, wie man es doch bei der Aus-
legung der liturgischen Gewandung hielt. Freilich hatte das die gute Folge, daß die
Deutungen, die man dem Altare gab, frei blieben, von den Willkürlichkeiten und
Sonderbarkeiten, welche die mittelalterliche Symbolik so oft weniger genießbar
machen, aber auch den großen Nachteil, daß sie uns über die Entwicklung des
Altares nichts von Belang zu erzählen haben, keinen nennenswerten Aufschluß brin-
gen und deshalb nach dieser Richtung hin für seine Geschichte von keiner Bedeu-
tung sind.

Von einer Darlegung der zum Teil sehr weit ausgesponnenen Symbolik, welche
<lie mittelalterlichen Liturgiker in die Zeremonien der Altarweihe hineinlegen, kann
hier abgesehen werden. Es handelt sich bei ihr nicht um U r s y m b o 1 i k, d. i. nicht
um eine Symbolik, welche diesen die Aufnahme in den Ritus der Altarweihe ver-
schaffen, sondern lediglich um N a c h s y m b o 1 i k, d. i. um mehr oder weniger ge-
künstelte Deutungen, welche fromme Betrachtung nachträglich mit den Zeremonien
verband. Wer sich näher über sie zu unterrichten wünscht, nehme nur den weit-
läufigen Tractatus de dedicatione ecclesiae, des Honorius gemma animae, die Ser-
mones 100, des Sicardus Mitrale und des Durandus Rationale zur Hand. Er wird hier
alles finden, was der tiefgläubige Sinn der mittelalterlichen Liturgiker über die
Zeremonien der Altarweihe ersonnen hat.

«ecretior (der geheimnisvolle Ort) appellatur immoletur superbia, iracundia juguletur, luxuria

juxta Ulud apocalypsis (14, 18): Exivit ange- omnisque libido feriatur, offeratur pro turtur-

us de altari, i. e. Christus de loco secretiore bus sacrificium castitatis et pro pullis colum-

lfin inf °nis Camerac. Expositio canonis (M. barum innocentiae sacriOcium.

«5 1067). m vgl. J. Braun, Die liturgische Gewandung

Sit in hoc ergo altari innocentiae cultus, im Okzident und Orient 706 f.

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