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Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 1): Arten, Bestandteile, Altargrab, Weihe, Symbolik — München, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.2141#0557
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Erstes Kapitel. Das Altargrab in Gegenwart und Vergangenheit 539

Altarweihe und Religuienrekonditipn waren noch zwei verschiedene Riten mit
eigenen Wirkungen. Durch jene wurde der Altar geheiligt und zur Benutzung bei der
Meßfeier befähigt. Sie durfte nie fehlen und bildete auch die Voraussetzung für
die Hinterlegung von Reliquien. Durch diese wurde der Altar obendrein in einem
besonderen Sinne ein dauerndes Heiligtum. Sie war wünschenswert, doch brauchte
die Altarkonsekration nicht notwendig von ihr begleitet zu sein.

Klar und sinnfällig tritt dieses Verhältnis von Altarweihe und Reliquien-
beisetzung in denjenigen karolingischen Pontifikalien und Sakramentaren in die
Erscheinung, in welcher die Altarweihe einen für sich abgeschlossenen Ritus dar-
stellt, auf den dann, und zwar bisweilen unter eigener Überschrift, gleichfalls als
selbständiger Akt der Ordo ad reliquias condendas folgt. Auch in Kanon 2 der 816
abgehaltenen Synode von Celichyt kommt jene Beziehung der Reliquienrekondition
zur Altarweihe deutlich zum Ausdruck. Die Hinterlegung der Reliquien hatte
nämlich nach diesem Kanon nicht schon bei der Weihe des Altares zu geschehen,
sondern erst nach Beendigung der an dieselbe sich anschließenden Weihemesse.
Denn mit den Reliquien sollte zugleich eine von dem Bischof in dieser Messe kon-
sekrierte Hostie hinterlegt werden. Die Reliquienrekondition erscheint sonach auch
in dem fraglichen Kanon als eine von der bereits vollzogenen Altarweihe getrennte
und deren Gültigkeit in keiner Weise bedingende Zeremonie15.

Im Osten verordnete 787 die zweite Synode von Nicäa, es müßten in
allen Kirchen, welche in den Stürmen der ikonoklastischen Wirren unter
Nichtbeachtung des alten kirchlichen Brauches konsekriert worden waren,
ohne daß man dabei Reliquien in ihnen beisetzte, nachträglich solche unter
den üblichen Gebeten hinterlegt werden. Der Bischof aber, der weiterhin eine
Kirchweihe ohne Reliquien vornehme, solle zur Strafe als Übertreter der
kirchlichen Überlieferungen abgesetzt werden16.

Auf die Praxis des Abendlandes blieb der Kanon ohne allen Einfluß, obwohl
er dort durch die Übersetzung des Anastasius Bibliothecarius nicht unbekannt war.
Begreiflich; denn er beruhte auf den besonderen, durch die ikonoklastischen Stürme
geschaffenen Zuständen des Ostens. Darum nahm auch später Gratian zwar andere
der nicänischen Kanones in sein Dekret auf, nicht aber Kanon 7. Übrigens will
dieser die Beisetzung von Reliquien in den Kirchen nicht etwa, weil sonst deren
Konsekration ungültig wäre, sondern weil altes, rechtmäßiges kirchliches Her-
kommen sie verlangte, und weil ihre Unterlassung während der ikonoklastischen
Wirren im inneren Zusammenhang stand mit den häretischen Anschauungen der
Ikonoklasten.

Im Westen fehlt es nicht nur an jeder allgemein gültigen Vorschrift von
der Art des 7. Kanons des zweiten Konzils von Nicäa, sondern, abgesehen von der

Hard. IV, 1219: Ubi ecclesia aedificatur, denken, doch ist zweifelsohne der Kanon aus

a propriae diocesis episcopo sanctiflcetur; aqua dem Gebrauch der Zeit sowie gemäß dem

Per semetipsum benedicatur, spargatur et ita Ritus der Reliquienrekondition der gleichzeiti-

V?T ordinem compleat, sicut in libro ministe- gen Sakramentare und Pontifikalien zu ver.

nah habetur. Postea eucharistia quae ab epi- stehen, also von einer Bergung der Reliquien

scopo per idem ministerium consecratur, cum und des Leibes des Herrn im Altargrab. So

. s reliquiis condatur in Capsula ac servetur faßt ihn denn auch Hefele auf (Konzilien-

ln basilica. Et si alias reliquias intimare non geschichte IV (Freiburg 1879) 8. Vielleicht darf

Potest, tarnen hoc maxime proficere potest, man sogar Capsula als Sepulcrum deuten. Daß

<P-ua corpus et sanguis est Domini nostri Jesu auch sonst schon zu Beginn des 9. Jahrhunderts

nriati. In dem Kanon ist allerdings nicht aus- mit den Reliquien konsekrierte Hostien in die-

■"ucklich von einer Hinterlegung der Reliquien ses eingeschlossen wurden, ist durch verschie-

"j. der Eucharistie im Sepulcrum des Altares dene Ordines der Kirchweihe aus jener Zeit

le "ede- Nach dem bloßen Wortlaut könnte bezeugt. Vgl. unten Kap. 4, II.

"»an auch an ihre Aufstellung auf oder bei dem '« Conc. Nicaen. II, act VIII, c. 7 (H. IV,

ar' °der in einem offenem Gelaß desselben 491).
 
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