EINLEITUNG. I.
i38 zweites buch. DER PARTHENON.
dorischen Tempel ursprünglich nicht Mittelflächen, sondern ganz offen ge-
lassene Zwischenräume waren, sagt eigentlich Vitruvius selbst8, und es giebt
Stellen griechischer Dichter, welche durchaus unerklärbar seyn würden, wenn
wir nicht annähmen, dass es in früher Zeit in Griechenland dorische Tempel
gab mit Triglyphen (welche die Ralkenköpfe bedeckten) aber ohne Ausfüllung
ihrer ZAvischenräume».
später in den Text hinein. — Ich habe die drei,
den Vitruv enthaltenden Handschriften der königl.
Bibliothek zu Paris deswegen nachgesehen; sie
enthalten aber, so wie die von Schneider (Cöm-
mentar. 1. c.) erwähnten Codd. Guelf. und Wrat.,
nur ganz Unrichtiges.
Denn wenn er, in der vorhergehenden Stelle
(1. IV, cap. 2, § 2 ), die Form und Construction
der griechischen Tempel in Stein und Marmor,
aus der Nachahmung des Holzbaues (a materia-
tura fabrili) herleitend, ferner, wo vom Gebälke
die Rede ist, bemerkt, dass man die Zwischen-
räume der Querbalken ausfüllte (ausmauerte,
verbaute) — denn dieses ist der Sinn der Worte
inier tigna struxerunt, welche Schneider, sehr
richtig, durch spatium inier tigna vacuum sruc-
lura impleverunt erklärt — so setzt dieses ja vor-
aus, dass Vitruvius selbst sich die ältesten grie-
chischen Gebäude dieser Art mit nicht ausge-
mauerten Zwischenräumen der Querbalken vor-
stellte. — Vergl. fVinkelmann, über die Bau-
kunst der Alten, in der französischen Überse-
tzung (Histoire de l'Art, etc., 1802-18o3, in-4°)
II Bd, pag. 572.
9 Wenn z. B. in Euripides Iphigen. Taur. v.
113, PyladesOrest den Rath giebt: opa Se y'eicr«
TptyWcpwv, oiroi xevov, &e[;.a; xaöeivat, so kann nur
ein solcher Tempel auf der Bühne von Athen
durch das ey)wxX7i[*.a vorgestellt gewesen seyn. Es
würde unnütze Mühe seyn, sowohl Markland's
ganz unstatthaften Vorschlag eixou statt oiroi (wel-
ches letzte das einzig richtige ist) als Barnes
Übersetzung zu wiederlegen. — So scheint auch
(Orest. v. 1371) die Entwischung einer Person
« xeSpuTa icao-Ta'Äwv üirep T^pEfjLva Äwptxa? re Tpi-
yWipou; » kaum denkbar, wenn der Palast nicht,
so wie der Tempel, offene Zwischenräume, statt
der Metopen , zwischen den Triglyphen gehabt
hätte. Vergl. Schneider Commentar. ad Vitruv.
1. IV, c. 2, § 4» Pag- 242-243. —Hinsichtlich
jener ersten Stelle aus Euripides Iphig. Taur. ist
es vielleicht, für richtige Ansicht der scenischen
Vorstellung, nicht ganz unnütz zu bemerken, dass
der Dichter jeden Ausdruck vermied, der nicht ei-
nem uralten Tempelgebäude (wie das der Tauri-
schen Artemis ganz gewiss auf der Bühne war) ent-
sprochen haben würde. Vers 69 ist Orest, vor dem
Tempel stehend, noch zweifelhaft, ob dieses,
nicht sehr scheinbare Gebäude, der berühmte
Tempel der Göttinn sey, und fragt den Pylades :
IIiAdoSi, Lei cjoi p.eXa6pa TaurYivai 6eä;: die of-
fenen Zwischenräume der Triglyphen wurden eben
erwähnt; von Verzierung durch Sculptur ist nir-
gends die Rede, auch nicht von einem Pronaos
oder von einem Peristyl u. s. w., denn die Worte
der Iphigenia (v. 128) irpö{ cav auXav, eücÄcov
vaäv ypucyfpei; Bpiyxou; deuten keinesweges auf ei-
nen mit Säulen umgebenen, sondern auf einen
etwa mit vergoldeten Wandpfeilern (oder vergol-
detem Gesimse) und mit zwei Säulen zwischen
den Anten versehenen vaov ev irapasTaciv hin (cf.
Vitruv. de Archit., 1. III, cap. 2, § i u. 2 der
Ausgabe von Schneider), etwa von der Form je-
nes sehr alten Tempels von Rarthaea (s. das erste
Buch dieses Werkes, pag. 2 3), weswegen Iphige-
nia dem Thoas, der in den Tempel hineingehen
will, den Zutritt mit den Worten verweigert
(v. I iSg) : Äva£, v£ aÜToi» iro'&a ffov ev 7tapa<7Ta-
o-iv. Die von Musgrave (zum 128" Verse der
Iphig.) aus Ovid. ex Ponto, III, 11, 49 erwähn-
ten Verse « Templa manent hodie vastis innixa
columnis, » etc., können weder die Form des ur-
i38 zweites buch. DER PARTHENON.
dorischen Tempel ursprünglich nicht Mittelflächen, sondern ganz offen ge-
lassene Zwischenräume waren, sagt eigentlich Vitruvius selbst8, und es giebt
Stellen griechischer Dichter, welche durchaus unerklärbar seyn würden, wenn
wir nicht annähmen, dass es in früher Zeit in Griechenland dorische Tempel
gab mit Triglyphen (welche die Ralkenköpfe bedeckten) aber ohne Ausfüllung
ihrer ZAvischenräume».
später in den Text hinein. — Ich habe die drei,
den Vitruv enthaltenden Handschriften der königl.
Bibliothek zu Paris deswegen nachgesehen; sie
enthalten aber, so wie die von Schneider (Cöm-
mentar. 1. c.) erwähnten Codd. Guelf. und Wrat.,
nur ganz Unrichtiges.
Denn wenn er, in der vorhergehenden Stelle
(1. IV, cap. 2, § 2 ), die Form und Construction
der griechischen Tempel in Stein und Marmor,
aus der Nachahmung des Holzbaues (a materia-
tura fabrili) herleitend, ferner, wo vom Gebälke
die Rede ist, bemerkt, dass man die Zwischen-
räume der Querbalken ausfüllte (ausmauerte,
verbaute) — denn dieses ist der Sinn der Worte
inier tigna struxerunt, welche Schneider, sehr
richtig, durch spatium inier tigna vacuum sruc-
lura impleverunt erklärt — so setzt dieses ja vor-
aus, dass Vitruvius selbst sich die ältesten grie-
chischen Gebäude dieser Art mit nicht ausge-
mauerten Zwischenräumen der Querbalken vor-
stellte. — Vergl. fVinkelmann, über die Bau-
kunst der Alten, in der französischen Überse-
tzung (Histoire de l'Art, etc., 1802-18o3, in-4°)
II Bd, pag. 572.
9 Wenn z. B. in Euripides Iphigen. Taur. v.
113, PyladesOrest den Rath giebt: opa Se y'eicr«
TptyWcpwv, oiroi xevov, &e[;.a; xaöeivat, so kann nur
ein solcher Tempel auf der Bühne von Athen
durch das ey)wxX7i[*.a vorgestellt gewesen seyn. Es
würde unnütze Mühe seyn, sowohl Markland's
ganz unstatthaften Vorschlag eixou statt oiroi (wel-
ches letzte das einzig richtige ist) als Barnes
Übersetzung zu wiederlegen. — So scheint auch
(Orest. v. 1371) die Entwischung einer Person
« xeSpuTa icao-Ta'Äwv üirep T^pEfjLva Äwptxa? re Tpi-
yWipou; » kaum denkbar, wenn der Palast nicht,
so wie der Tempel, offene Zwischenräume, statt
der Metopen , zwischen den Triglyphen gehabt
hätte. Vergl. Schneider Commentar. ad Vitruv.
1. IV, c. 2, § 4» Pag- 242-243. —Hinsichtlich
jener ersten Stelle aus Euripides Iphig. Taur. ist
es vielleicht, für richtige Ansicht der scenischen
Vorstellung, nicht ganz unnütz zu bemerken, dass
der Dichter jeden Ausdruck vermied, der nicht ei-
nem uralten Tempelgebäude (wie das der Tauri-
schen Artemis ganz gewiss auf der Bühne war) ent-
sprochen haben würde. Vers 69 ist Orest, vor dem
Tempel stehend, noch zweifelhaft, ob dieses,
nicht sehr scheinbare Gebäude, der berühmte
Tempel der Göttinn sey, und fragt den Pylades :
IIiAdoSi, Lei cjoi p.eXa6pa TaurYivai 6eä;: die of-
fenen Zwischenräume der Triglyphen wurden eben
erwähnt; von Verzierung durch Sculptur ist nir-
gends die Rede, auch nicht von einem Pronaos
oder von einem Peristyl u. s. w., denn die Worte
der Iphigenia (v. 128) irpö{ cav auXav, eücÄcov
vaäv ypucyfpei; Bpiyxou; deuten keinesweges auf ei-
nen mit Säulen umgebenen, sondern auf einen
etwa mit vergoldeten Wandpfeilern (oder vergol-
detem Gesimse) und mit zwei Säulen zwischen
den Anten versehenen vaov ev irapasTaciv hin (cf.
Vitruv. de Archit., 1. III, cap. 2, § i u. 2 der
Ausgabe von Schneider), etwa von der Form je-
nes sehr alten Tempels von Rarthaea (s. das erste
Buch dieses Werkes, pag. 2 3), weswegen Iphige-
nia dem Thoas, der in den Tempel hineingehen
will, den Zutritt mit den Worten verweigert
(v. I iSg) : Äva£, v£ aÜToi» iro'&a ffov ev 7tapa<7Ta-
o-iv. Die von Musgrave (zum 128" Verse der
Iphig.) aus Ovid. ex Ponto, III, 11, 49 erwähn-
ten Verse « Templa manent hodie vastis innixa
columnis, » etc., können weder die Form des ur-