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Bröndsted, Peter Oluf
Reisen und Untersuchungen in Griechenland: nebst der Darstellung und Erklärung vieler neu entdeckter Denkmäler griechischen Styls, und einer kritischen Übersicht aller Unternehmingen dieser Art, von Pausanias bis auf unsere Zeit (Band 2) — Paris, 1826

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https://doi.org/10.11588/diglit.681#0182
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ERKLÄRUNG DER BILDTAFELN.



TAFEL XXXV. (seite m. Vignette.)

Ijemme in Rrystall, genau von der Grösse des
Rupferstichs, jetzt Mme A. M. Cockerett geb.
Rennie gehörend; nach dem Original gezeichnet
von Riispi, in Rupfer gestochen von F. Rusche-
wejh in Rom.

Die Materie ist ein sehr reines und durchsich-
tiges, etwa einen halben Daumen dickes und auf
der Rückseite oval geformtes Stück Bergkrystall,
welches, der Länge oder dem grösseren Durch-
messer nach, genau und reinlich durchbohrt ist,
wahrscheinlich um, mittelst einer starken (nicht
gefundenen) Goldnadel, eine grosse Spange oder
Agraffe (icopTtviv, itepovriv) zum Schmucke der Brust
oder des Haares zu bilden. Dieser ungemein schöne
Intaglio, etwa um das Jahr 1819 gefunden, wurde
mir, im Jahre 1820, von dem englischen General
Sir Patrick Ross, der damals auf Zante cornman-
dirte, gütig überlassen z :

1 Da Sir Patrick Ross die Herkunft dieser Gemme nicht
vvusste, und die Erhaltung derselben fast wunderschön zu
nennen ist, so habe ich mich, aller Merkmale antiken Styls
ungeachtet, dennoch nicht des Verdachtes erwehren können,
dass sie vielleicht von irgend einem der vorzüglichsten mo-
dernen Künstler in diesem Fache, etwa von Pichler, von
Brown oder von Lane herrühren könnte. Um diese Frage zu
beantworten, müsste man in einer vollständigen Sammlung
Abdrücke der, von den besten neueren Künstlern geschnitte-
nen Gemmen nachsuchen. Eine solche Sammlung findet sich,
meines Wissens, nicht in Paris (wo ich dieses schreibe), und
ich muss den Zweifel: ob diese treffliche Gemme antiker
oder neuerer Arbeit sey, einer künftigen Entscheidung über-
lassen. Ich werde sie hier als ein antikes Denkmal behandeln,
und selbst in dem Falle, dass ich sie später für modern er-
kennen sollte, würde ich in der folgenden Abhandlung nicht
vieles verändern.

Ein junges Frauenzimmer, das einfach be-
kleidet ist, bloss ein leichtes Unterkleid (^irwva)
mit Halbärmeln und einem Gürtel trägt, die
Fasse nackt und die Haare in einen Knäuel
zierlich aufgebunden hat, sitzt auf einem Stuhle
gewöhnlicher Form, rechts gewandt, und spielt
auf einer grossen, dreieckigen und vielsaitigen
Lejer (Tptvwvov , Tpiycdvo? otixti; , [/.ayaö 15 oder
cau.ßu)ai), welche sie auf ihrem Schoosse hält.

Dass dieses sehr graziöse und mit grosser Mei-
sterschaft geschnittene Bild irgend eine, durch Ge-
sang und Dichtung berühmte Frau vorstelle, kann
um so weniger bezweifelt werden, da die ganze
Beschaffenheit des Bildes : der leichte Anzug der
Figur, die Anordnung ihres Haares, die eigene,
sehr individuelle und wie portraitmässige Form
der Harfe, die alltägige Form des Stuhles und die
Abwesenheit aller Attribute einer Göttin oder
hieratischen Figur, bestimmt genug andeuten,
dass wir hier keinesweges das Bild einer Göttin ,
z. B. einer Muse, zu suchen haben; und da wir, so-
wohl in Monumenten der Runst als in schriftli-
chen Überlieferungen der Alten selbst von ihrer
hochberühmten lesbischen Sängerin, nicht we-
nige Umstände finden, welche sehr auf gegen-
wärtige Vorstellung passen, so bin ich geneigt,
dieselbe für ein Bild der Sappho zu halten, und
werde hier die Gründe und Rücksichten, aus wel-
chen diese Meinung bei mir entstanden ist, mit
einiger Umsicht aus einander setzen :

Dass das kunstreiche Griechenland vielfache,
mehr oder weniger traditionnelle Darstellungen
 
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