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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 34.1933

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Gabelentz, Hans von der: Die Wartburg in ihrer geistesgeschichtlichen Bedeutung
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https://doi.org/10.11588/diglit.35023#0012
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er keineswegs. Ganz nn Gegenteil! Kann es beispielsweise etwas Volkstümlicheres geben als etwa die deutsche
.Kunst des ausgehenden Mittelalters, also gerade des Zeitabschnittes, in dem sich das deutsche Volkstum in seiner
gesündesten Eigenart entfaltete?
Wir stehen heute in einer Zeit tiefster innerer Erschütterung. Man Hort von ihr so oft die Bezeichnung: „Revo-
lution". Ich möchte dieses Wort, dem allzuviel vom phrasenhaften Geist der sog. großen Französischen Revolution
von 1789 anhaftet, gerade für das Erleben unserer Tage nicht anwenden. Diese Zeitwende ist — nicht überall, aber
im Kern — eine geistig-sittliche Erneuerung, ausgelöst durch ein nur allzu berechtigtes Auflehnen gegen die
äußere und innere Schmach der Jahre seit 1918. Es ist ein Aufwachen, ein Aufsichselbstbesinnen, ein Seinerselbst-
bewußtwerden, ein Lebensvorgang mit allen Zeichen jugendlicher Lebenskraft. In dieser jugendlichen Lebens-
kraft wirkt romantischer Geist sich aus, Faustisches in der deutschen Seele, lind dieser deutschen ewigen
Jugend — die nicht nur hellodernd als Opferflamme in der Brust des Jünglings, sondern auch als wärmende Glut


Die Wartburg: Das Ritterhaus nach der Wiedcrherstelluug durch Bodo Ebhardt.

im Herzeit des Mannes, als stilles Herdfeuer im Busen der Frau brennt — sei die Wartburg Sinnbild und Deu-
tung des Lebens.
Ergriffen lauschten die Hörer, und stimmungsvoller konnten die geistvollen Darbietungen nicht abgeschlossen,
als durch die nun folgende
geistliche Musik in der Burgkapelle.
Guilleaume Dufays wunderbares Werk Salva i-sZins. bot an Klangschönheit das Höchste.
Während bisher nur Meister der Zeit zu Wort kamen, die zwar im 15. Jahrhundert geboren sind, deren Leben
aber die Wende zum 16. Jahrhundert überschritt, wurde für diese geistliche Musik in der Markuskapelle ein Werk Dufays
ansgewählt, der schon vor 1400 geboren wurde. Auch er entstammt jener deutsch-burgundischen Landschaft, dem
Hennegau, die so viele bedeutende Musiker des 15. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Das „Lalva reZina" trägt den
Stempel seines Stils: hohe Anmut und Innigkeit, ausdrucksvolle Wortmalerei, weit gespannte Melodiebögen und
kühne Wendungen. Entsprechend dem Text vollzieht sich der Aufbau des tief ergreifenden Stückes: Anruf der
Gottesmutter unter Klagen und Weinen (ein Da protünäis, das in der Malerei des Wortes klsntss seinen stärksten
Ausdruck findet), erwachende Zuversicht und Hoffnung auf ihre Barmherzigkeit (sin sr^o ackvooata nostra),
Lobgesang auf ihre Güte und Milde (o vleinsns, o pia), friedliches Ausklingen in der Gewißheit der Erhörung
(o ckutois vti'Zo lVIaria).
Ein schweres Gewitter war während der letzten Gesänge heraufgezogen und entlud sich nun wie ein riesen-
hafter Schlußakkord über der alten Burg, ohne daß glücklicherweise zwei furchtbare Schläge irgendmehr Schaden
 
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