Das Byzantinerthum.
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Das SMNtinerthum. '
Heidnische und christliche Weissagungen hatten den bevor-
stehenden Untergang Roms verkündet, und tiefer blickenden Män-
nern war es längst offenbar daß mit den Germanen nicht um
Sieg oder Beute, sondern auf Tod oder Leben gekämpft werde.
Unter solchen Eindrücken beschloß Constantin, wie er durch sein
Bekenntniß znm Christenthnm eine neue Aera des religiösen Le-
bens zur Herrschaft brachte, so auch durch Gründung einer andern
Hauptstadt dem Reich einen neuen Mittelpunkt zu geben. Er
wandte seinen Blick nach Osten, nach dem sagenhaften Ansgangs-
orte der Römer, nach der troischen Küste, traf aber dann in
deren Nähe ans europäischem Ufer die äußerst glückliche Wahl
das alte verödete Byzanz znm neuen Constantinopel aufzubauen,
dessen Lage an der Grenze zweier Welttheile in herrlicher Ge-
gend die Vorzüge der Seestadt und der Landstadt vereint. Die
Mischung heidnischer und christlicher Elemente trat sogleich sym-
bolisch bei der Gründung hervor: ans dem Forum ward der
Wagen des Sonnengottes aufgestellt, des Unbesiegbaren, in welchem
die Götter des Heidenthnms sich gesammelt hatteil; ihm ward eine
Glücksgöttin der Stadt zur Seite gesetzt, und ans dem Haupte
dieser Tyche das Kreuz Christi anfgerichtet; das Volk sang Kyrie
eleison bei der Einweihung. Gegenüber hielt das Doppelstandbild
des Kaisers Constantin und seiner Mutter Helena ein Kreuz mit
der Inschrift: Einer ist der Heilige, einer der Herr, Christus, zur
Ehre Gottes des Vaters; aber in des Kreuzes Mitte ward wieder
unter magischen Sprüchen das Bild der Tyche angekettet. Ihr,
der Göttermutter Rhea, den Diosknren wurden Tempel neben den
christlichen Kirchen anfgebant und zum Schmuck derselben wie der
Hallen, der öffentlichen Plätze Bildwerke aller Art aus dem
ganzen Reiche zusammengebracht, sodaß die Stadt wie ein Museum
antiker Kunst erschien, während sie zugleich eine Wiege der christ-
lichen ward. Eine 100 Fuß hohe monolithische Porphyrsänle ward
aus Rom geholt, das vermeintliche troische Palladium heimlich als
Schicksalspfand in ihre Basis eingemanert, auf ihrem Kapitäl aber
eine Erzstatue Apollon's aufgerichtet und um dessen Haupt ein
Strahlenkranz von Nägeln angebracht, die man dem angeblich
damals wiedergefnndenen Kreuze Christi entnommen; das Ganze
aber ward zum symbolischen Bilde Constantin's geweiht, damit er
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Das SMNtinerthum. '
Heidnische und christliche Weissagungen hatten den bevor-
stehenden Untergang Roms verkündet, und tiefer blickenden Män-
nern war es längst offenbar daß mit den Germanen nicht um
Sieg oder Beute, sondern auf Tod oder Leben gekämpft werde.
Unter solchen Eindrücken beschloß Constantin, wie er durch sein
Bekenntniß znm Christenthnm eine neue Aera des religiösen Le-
bens zur Herrschaft brachte, so auch durch Gründung einer andern
Hauptstadt dem Reich einen neuen Mittelpunkt zu geben. Er
wandte seinen Blick nach Osten, nach dem sagenhaften Ansgangs-
orte der Römer, nach der troischen Küste, traf aber dann in
deren Nähe ans europäischem Ufer die äußerst glückliche Wahl
das alte verödete Byzanz znm neuen Constantinopel aufzubauen,
dessen Lage an der Grenze zweier Welttheile in herrlicher Ge-
gend die Vorzüge der Seestadt und der Landstadt vereint. Die
Mischung heidnischer und christlicher Elemente trat sogleich sym-
bolisch bei der Gründung hervor: ans dem Forum ward der
Wagen des Sonnengottes aufgestellt, des Unbesiegbaren, in welchem
die Götter des Heidenthnms sich gesammelt hatteil; ihm ward eine
Glücksgöttin der Stadt zur Seite gesetzt, und ans dem Haupte
dieser Tyche das Kreuz Christi anfgerichtet; das Volk sang Kyrie
eleison bei der Einweihung. Gegenüber hielt das Doppelstandbild
des Kaisers Constantin und seiner Mutter Helena ein Kreuz mit
der Inschrift: Einer ist der Heilige, einer der Herr, Christus, zur
Ehre Gottes des Vaters; aber in des Kreuzes Mitte ward wieder
unter magischen Sprüchen das Bild der Tyche angekettet. Ihr,
der Göttermutter Rhea, den Diosknren wurden Tempel neben den
christlichen Kirchen anfgebant und zum Schmuck derselben wie der
Hallen, der öffentlichen Plätze Bildwerke aller Art aus dem
ganzen Reiche zusammengebracht, sodaß die Stadt wie ein Museum
antiker Kunst erschien, während sie zugleich eine Wiege der christ-
lichen ward. Eine 100 Fuß hohe monolithische Porphyrsänle ward
aus Rom geholt, das vermeintliche troische Palladium heimlich als
Schicksalspfand in ihre Basis eingemanert, auf ihrem Kapitäl aber
eine Erzstatue Apollon's aufgerichtet und um dessen Haupt ein
Strahlenkranz von Nägeln angebracht, die man dem angeblich
damals wiedergefnndenen Kreuze Christi entnommen; das Ganze
aber ward zum symbolischen Bilde Constantin's geweiht, damit er