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Das christliche Alterthum.
Beschützer und Vater der Stadt erscheinen. Das Austreten jenes
ruhigen und würdevollen Papstes vor einem der schrecklichsten Würger
der Geschichte, vor Attila, der die Hauptstadt der Civilisation zu
zerstören im Anzüge war, gehört zu den erhabensten Stellungen die
je ein Mann in allen Zeiten eingenommen hat, und sichert Leo I.
mit dem Dank der Menschheit die Unsterblichkeit. Aber das Princip
des Christenthnms durfte die Gestalt des Heidenthnms nicht leiden.
Die großen Monnmente der Cnltnr des Alterthnms ließ es unge-
rührt in Ruinen gehen, und es brauchte endlich nichts von ihnen
als hier und da einen Tempel, einige Säulen und ausgerissene
Marmorsteine. Nie sah die Geschichte ein gleiches Schauspiel
der Abwendung des Menschengeschlechts von einer noch völlig
stehenden Cnltnr. Halb Rom war Larve und Gespenst, die
Wunder der Erde dem langsamen Schicksale des Verfalls scho-
nungslos geweiht. Die 400 Tempel, dem Abscheu der Christen
ein verhaßter Anblick, standen leer und öde, und bald gesellte die
Verkümmerung des bürgerlichen Lebens ihrer grenzenlosen Ver-
lassenheit die prächtigen Hallen und Bäder, die Theater und
Rennbahnen allgesammt hinzu. Rom verfaulte als Leiche an dem
einen Theil seines Leibes, und verjüngte sich zu gleicher Zeit am
andern wieder, ein Doppelwesen einzig in der Geschichte der
Menschheit, deren Haupt zu sein es zweimal berufen ward."
SUdncrci und Malerei.
Moses hatte seinem Volke verboten sich ein Bildniß von
Gott zu machen, damit es nicht in geistlosen Bilderdienst verfalle;
aber der künstlerische Trieb der Hellenen hatte nicht gerastet bis
er das Natnrideal in den menschlich gestalteten Göttern aus man-
nichfache Weise zu vollendeter Anschauung gebracht; die Christen
erkannten Gott als Geist, der zu seinem Dienst die Erneuung
des Menschen im Innersten des Gemüths, die Heiligung des
Willens und die Liebe verlangte; so konnten sie nicht daran denken
seine Idee in sinnlichen Formen ausznprägen, den Unendlichen in
die Schranke des Endlichen zu fassen, wohl aber wurden sie zu
einer sinnigen Betrachtung der Natur hingesührt um in ihr die
Das christliche Alterthum.
Beschützer und Vater der Stadt erscheinen. Das Austreten jenes
ruhigen und würdevollen Papstes vor einem der schrecklichsten Würger
der Geschichte, vor Attila, der die Hauptstadt der Civilisation zu
zerstören im Anzüge war, gehört zu den erhabensten Stellungen die
je ein Mann in allen Zeiten eingenommen hat, und sichert Leo I.
mit dem Dank der Menschheit die Unsterblichkeit. Aber das Princip
des Christenthnms durfte die Gestalt des Heidenthnms nicht leiden.
Die großen Monnmente der Cnltnr des Alterthnms ließ es unge-
rührt in Ruinen gehen, und es brauchte endlich nichts von ihnen
als hier und da einen Tempel, einige Säulen und ausgerissene
Marmorsteine. Nie sah die Geschichte ein gleiches Schauspiel
der Abwendung des Menschengeschlechts von einer noch völlig
stehenden Cnltnr. Halb Rom war Larve und Gespenst, die
Wunder der Erde dem langsamen Schicksale des Verfalls scho-
nungslos geweiht. Die 400 Tempel, dem Abscheu der Christen
ein verhaßter Anblick, standen leer und öde, und bald gesellte die
Verkümmerung des bürgerlichen Lebens ihrer grenzenlosen Ver-
lassenheit die prächtigen Hallen und Bäder, die Theater und
Rennbahnen allgesammt hinzu. Rom verfaulte als Leiche an dem
einen Theil seines Leibes, und verjüngte sich zu gleicher Zeit am
andern wieder, ein Doppelwesen einzig in der Geschichte der
Menschheit, deren Haupt zu sein es zweimal berufen ward."
SUdncrci und Malerei.
Moses hatte seinem Volke verboten sich ein Bildniß von
Gott zu machen, damit es nicht in geistlosen Bilderdienst verfalle;
aber der künstlerische Trieb der Hellenen hatte nicht gerastet bis
er das Natnrideal in den menschlich gestalteten Göttern aus man-
nichfache Weise zu vollendeter Anschauung gebracht; die Christen
erkannten Gott als Geist, der zu seinem Dienst die Erneuung
des Menschen im Innersten des Gemüths, die Heiligung des
Willens und die Liebe verlangte; so konnten sie nicht daran denken
seine Idee in sinnlichen Formen ausznprägen, den Unendlichen in
die Schranke des Endlichen zu fassen, wohl aber wurden sie zu
einer sinnigen Betrachtung der Natur hingesührt um in ihr die