32 Almanach 1920
Grimm seinen fürstlichen Korrespondenten nicht vor-
enthalten konnte, schon deswegen nicht, weil die neue
Form, die den Umriß der Frau wesentlich änderte, so-
fort Anklang fand. Vierzig Jahre darauf verschwindet der
Reifrock aus der Tagesmode, wie man immer hört,
weil die Revolution die klassische Linie suchte. Das
ist nicht richtig, wenigstens nicht ausschließlich, denn
einmal hat die Mode des letzten Jahrzehnts des
18. Jahrhunderts nichts mit der wirklichen Antike zu
tun, dann aber entstand sie auch nicht aus revolutio-
nären Motiven, sondern aus ästhetischen, und zwar
wieder auf der Bühne. Die Sängerin Mme. Saint Hu-
berty war es, die in den achtziger Jahren den neuen
Schnitt zuerst auf der Bühne der Großen Oper in
Paris zeigte.
Je weiter man den Fragen des Modewechsels nach-
geht, um so häufiger stößt man auf den Einfluß des
Theaters. Das Kleid, welches wir uns gewöhnt haben
als geradezu typisch für das Rokoko anzusehen, das
Watteau so oft gemalt hat, die Adrienne mit der
berühmten Watteaufalte, wurde von der Schauspielerin
Mme. Dancourt 1703 zuerst auf die Bühne gebracht.
Sie spielte in der Komödie „Andrienne“ von Baron
die Glycerie und trat darin in diesem Kleide auf, das
man bis dahin nur als Umstandskleid angesehen hatte.
Sie eroberte ihm den Platz, den es fast drei Menschen-
alter behauptete, und gab ihm auch den Namen. Als
es schließlich anderen Schnitten zu weichen begann,
war es wieder der Einfluß einer schönen Schauspielerin,
der den Wechsel begünstigte. Die gefeierte Soubrette
Mme. Favart trat 1761 in dem Singspiel „Soliman“ in
Grimm seinen fürstlichen Korrespondenten nicht vor-
enthalten konnte, schon deswegen nicht, weil die neue
Form, die den Umriß der Frau wesentlich änderte, so-
fort Anklang fand. Vierzig Jahre darauf verschwindet der
Reifrock aus der Tagesmode, wie man immer hört,
weil die Revolution die klassische Linie suchte. Das
ist nicht richtig, wenigstens nicht ausschließlich, denn
einmal hat die Mode des letzten Jahrzehnts des
18. Jahrhunderts nichts mit der wirklichen Antike zu
tun, dann aber entstand sie auch nicht aus revolutio-
nären Motiven, sondern aus ästhetischen, und zwar
wieder auf der Bühne. Die Sängerin Mme. Saint Hu-
berty war es, die in den achtziger Jahren den neuen
Schnitt zuerst auf der Bühne der Großen Oper in
Paris zeigte.
Je weiter man den Fragen des Modewechsels nach-
geht, um so häufiger stößt man auf den Einfluß des
Theaters. Das Kleid, welches wir uns gewöhnt haben
als geradezu typisch für das Rokoko anzusehen, das
Watteau so oft gemalt hat, die Adrienne mit der
berühmten Watteaufalte, wurde von der Schauspielerin
Mme. Dancourt 1703 zuerst auf die Bühne gebracht.
Sie spielte in der Komödie „Andrienne“ von Baron
die Glycerie und trat darin in diesem Kleide auf, das
man bis dahin nur als Umstandskleid angesehen hatte.
Sie eroberte ihm den Platz, den es fast drei Menschen-
alter behauptete, und gab ihm auch den Namen. Als
es schließlich anderen Schnitten zu weichen begann,
war es wieder der Einfluß einer schönen Schauspielerin,
der den Wechsel begünstigte. Die gefeierte Soubrette
Mme. Favart trat 1761 in dem Singspiel „Soliman“ in