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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 2.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.6484#0022
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— 70 —

ſchen Facultät zu Heidelberg mit dem Doctordiplome, als einem
von ihr ſelbſt ausgehenden Zeichen der Anerkennung beehrt, ſo
wie von den königlichen Akademien der Künſte zu München und
Berlin, ſo wie von dem königlichen Jnſtitute der brittiſchen
Architecten zum Mitglied ernannt.
Aus einer ſo thätigen, durch innere Vorzüge und äußere
Erfolge ausgezeichneten Laufbahn rief der Tod ihn ab. Uns, die
wir ſeinen Hingang betrauern, bleibt die Erinnerung an die Perſon
und den Charakter des Verklärten; Allen aber bleiben die Werke
ſeines Geiſtes und ſeiner Kunſt als ein theures Vermächtniß.
Heinrich Hübſch war ein gediegener, edler Charakter; bieder, offen,
wohlwollend, uneigennützig, wohlthätig, heiter, liebenswürdig im
Umgange und daher überall bei Hoch und Nieder beliebt; eine
freie und edle echte Künſtlernatur, nicht blos für ſich in ſeinem
geiſtigen Leben, ſondern auch in dem allgemeinen Verkehr des
Lebens.

überhaupt ſeine Anſichten über die Wahl des rechten Bauſtyles
in ſeiner Schrift: Jn welchem Style ſollen wir bauen?
Carlsruhe 1828. Jndem er ſich im Allgemeinen für die oben
bezeichneten Elemente des für uns paſſenden Bauſtyles ent-
ſchied, gab er dabei dem Rundbogenſtyl vor dem Spitzbogenſthl,
und für Kirchenbauten den altchriſtlichen Baſiliken, dem by-
zantiniſchen Kuppelbau und dem ſich an dieſe ältere Periode
anſchließenden romaniſchen Bauſtyle entſchieden den Vorzug vor
dem gothiſchen Dombau. Für unſern heutigen Kirchenbau hielt
er darum eine freie Reproduction des altchriſtlichen Styles für
den richtigen Weg.
Jn dem nächſten Jahrzehnt nach Herausgabe dieſer Schrift
(1828 — 1838) führte Hübſch nach dieſen Grundſätzen mit
freier, künſtleriſchen Handhabung dieſer architektoniſchen For-
men und Elemente - des Rundbogens und Gewölbbaues, —
je nach Jdee, Zweck und Bedürfniß des Baues eine Reihe
größerer Bauwerke aus, wovon er ſelbſt die Beſchreibung und
Erklärung gibt in der Schrift: ,,Bauwerke von Heinrich
Hübſch. Dund J. Heft (Abbildungen und Text) Carls-
ruhe und Baden 1838, bei Marx; und Bauwerke, Neue
Folge. Carlsruhe, bei Veith. Zu dieſen Bauwerken gehören von
katholiſchen Kirchen: die ſchöne Kirche zu Bulach, gewiß eines
der preiswürdigſten Werke unſers Meiſters, nebſt mehreren
kleinern Landkirchen (zu Dürrheim, Rothweil, Stahringen,
Waitzen) und der Plan einer Cathedralkirche für Rotten-
burg; von proteſtantiſchen Kirchen: die Kirche zu Freiburg, nebſt
den kleinern Landkirchen (zu Zaiſenhauſen, Epfenbach, Bau-
ſchlott u. a.) Die Kirche zu Freiburg iſt bekanntlich eine ſchöne
im Rundbogenſtyl erbaute alte Kirche der Abtei Thennenbach,
von dort aus nach der genannten Stadt verſetzt, mit einem
neuen Thurme verſehen und das Jnnere nach den Zwe-
cken des proteſtant. Cultus ſchön und würdig hergerichtet. Von
andern Gebäuden zu profanen, nicht kirchlichen Zwecken fallen
in dieſe Periode: die polytechniſche Schule, die Finanzkanzlei,
das Landesgeſtüt zu Carlsruhe, das große Zollgebäude zu Mann-
heim. Jn künſtleriſcher Beziehung iſt darunter beſonders das
Finanzgebäude zu Carlsruhe auszuzeichnen.
Jn das folgende Jahrzehnt 1838- 1848 gehört gleichfalls
eine Reihe von Bauwerken und am Schluſſe derſelben eine
intereſſante und bedeutende ſchriftſtelleriſche Arbeit. Von jenen
Bauwerken ſind zu nennen: Das Kunſtmuſeum (Kunſthalle)
zu Carlsruhe, die Trinkhalle zu Baden und die große Central-
Strafanſtalt zu Bruchſal. Die beiden erſten Gebäude zeichnen
ſich durch Originalität der künſtleriſchen Erfindung und durch
Schönheit der Form aus; das zuletzt genannte durch Größe
und zweckmäßige innere Einrichtung des complicirten Syſtems
der Einzelhaft.
Die oben angedeutete Schrift aus dieſer Periode iſt: ,,Die
Architektur und ihr Verhältniß zur heutigen Ma-
lerei und Sculptur von H. Hübſch. Stuttgart und
Tübingen, bei Cotta. 1847. Es iſt eine an Gedanken
und Anſchauungen reiche und ſehr anziehend geſchriebene Schrift.
Sie zerfällt in drei Haupttheile: die allgemeine Aeſthetik der
Architektur; die hiſtoriſche Betrachtung der verſchiedenen Bau-
arten; und die Anwendung jener theoretiſchen und hiſtoriſchen
Betrachtung auf die jetzige Kunſt und die daraus hervorgehende
Ermittlung des für unſere Zeit zu wählenden Bauſtyles. Die
Ausführung dieſer drei Theile iſt eine neue gereifte und im
Zuſammenhang gegebene Begründung der oben angedeuteten
Grundſätze des Meiſters über den Vorzug des Rundbogenſtyles
ſo wie über den Vorzug des altchriſtlichen Kirchenbaues vor
den ſpätern Perioden, namentlich vor dem gothiſchen Bauſtyle
und der für unſere Zeit angezeigten, mit freier Reproduction
auszuführenden Nachahmung jenes altchriſtlichen Kirchenbaues
auch für unſere jetzt zu bauenden Kirchen.

Werfen wir jetzt einen Blick auf ſeine Bauwerke und ſeine
ſchriftſtelleriſche Arbeiten. Letztere haben außer ihrem allgemei-
nen Werth für uns noch den Vorzug, daß ſie die künſtleriſchen
Bauwerke des Meiſters nach Styl, Anlage und Ausführung
erklären und begründen.
Obgleich Hübſch aus der Weinbrennerſchen Schule hervor-
gieng, welche ſich die Nachahmung des griechiſchen Bauſtyles
zur Richtſchnur nahm, ſo trat er dennoch als Liebhaber und
Bewunderer des gothiſchen Bauſtyles ſeine erſte Kunſtreiſe nach
Jtalien an, wie er ſelbſt an einer Stelle ſeiner Schrift ſagt.
Schon als Eleve in dem Atelier Weinbrenners gewann er die
Ueberzeugung, daß dieſe Nachahmung der antiken Architectur
für unſere Gebäude nicht paſſe; außerdem folgte er der geiſti-
gen Strömung, welche damals mit einem neu erwachten Stre-
ben zu unſerer mittelalterlichen deutſchen Poeſie und Kunſt zu-
rückführte. Sein Aufenthalt in Jtalien und die dort gewonnenen
Anſchauungen modificirten aber ſeinen Eifer für den Spitzbogen.
Das Studium der griechiſchen Monumente auf helleniſchem
Boden gab ihm über den echten Charakter des altgriechiſchen
Bauſtyles und deſſen Verhältniß zu den Bedürfniſſen und Zwe-
cken der Bauten der Gegenwart vollſtändige Klarheit. Die Er-
gebniſſe dieſes Studiums der griechiſchen Bauwerke an Ort
und Stelle gibt die erſte ſchriftſtelleriſche, ſehr intereſſante Arbeit
des Verewigten: ,, Ueber griechiſche Architektur von
Heinrich Hübſch. Heidelberg 1822. wozu gehört: ,Ver-
theidigung der griechiſchen Architektur gegen A.
Hirt. Von Heinrich Hübſch. Heidelberg 1824.'' Der
Verfaſſer ſtellt in dieſen Schriften den wahren Charakter der
altgriechiſchen Architektur dar, und bekämpft die Theorie des
Archäologen Hirt, welcher in ſeiner Geſchichte der Baukunſt
alle Formen der griech. Architektur bis ins Einzelne von einem
als urſprünglich allem Steinbau vorausgehend angenommenen
Holzbau ableitet.
Voll Bewunderung des griechiſchen Bauſtyles wegen ſeiner
Zweckmäßigkeit in Rückſicht auf das griechiſche Klima, Bau-
material und die Verhältniſſe des griechiſchen Lebens und we-
gen ſeiner unmittelbar an dieſe Zweckmäßigkeit ſich anſchlie-
ßenden, auf Natur und Wahrheit beruhenden einfachen Schönheit,
war dennoch Hübſch ebenſo ſehr davon überzeugt, daß nach unſerem
Klima, Baumaterial, und den für unſere monumentalen Bau-
werke gegebenen ganz andere Bedingungen, ein anderer Bauſtyl
als der griechiſche anzuwenden ſei. Als das allgemeinſte und
am meiſten charakteriſtiſche Element deſſelben nahm er im Ge-
genſatz gegen die horizontale Ueberſpannung der Säulen und
Pfeiler, und gegen die flache Decke des griechiſchen Bauſtyles
die Bogenüberſpannung und den Gewölbbau an. Von dieſem
Standpunkte ausgehend, führte er als praktiſcher Architekt ſeine
erſien Bauwerke aus.
Näher begründete Hübſch dieſen ſeinen Standpunkt und
 
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