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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 5.1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.7151#0019
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Knnſtvereins der Erzdiöcele reiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 53.

Domine diloxi decorem domus tuaa. Ps. 25, 8.

Mai 1866.

J. Nochmals das Münſter in Villingen.

Dagegen theilen wir die Anſicht des Verfaſſers, daß an
Stelle der Gypsdecken früher Gewölbe geweſen ſeien, nicht.
Wäre dies wirklich der Fall geweſen, ſo könnten es nur ſolche
ſein, wie ſie jener Zeit eigenthümlich waren, nämlich Kreuzge-
wölbe mit ſtark hervortretenden wulſtförmigen Gräthgurten, die
ſich längs der Wände bis hinab auf den Boden oder wie in
den franzöſiſch romaniſchen und italieniſchen Kirchen wenigſtens
bis auf die Capitäle der Pfeiler oder Säulen herab fortſetzten,
und dort in einem dem attiſchen nachgebildeten Fuß oder einem
Kragſtein ihr Auflager fanden. Von all dieſen Dingen iſt aber
hier keine Spur zu finden. Eine ganz oberflächliche Betrach-
tung des Querſchnittes der Kirche: die geringe Höhe der Sei-
tenſchiffe im Verhältniß zu deren Weite, die ſehr beträchtliche
Höhe des Mittelſchiffes bei vergleichsweiſe ſchlanken Umfaſſungs-
mauern, abgeſehen vom Mangel an jedweder Spur von Vor-
kehrung zur Aufnahme von Gewölben und deren Seitenſchub
hätten den Berichterſtatter bei einiger Ueberlegung auch ohne
techniſche Kenntniſſe auf den Gedanken bringen müſſen, daß er
hier unmöglich einen urſprünglich gewölbten Bau, ſondern eine
Baſilika vor ſich habe, das heißt, einen ähnlich den altchriſt-
lichen Kirchen zu Rom horizontal in Holz überdeckten Bau.
Davon ſind auch in unſerer Nähe noch mehrere namhafte, gut
erhaltene Beiſpiele vorhanden. Die Kirchen auf der Jnſel
Reichenau namentlich jene zu Mittelzell, ſodann zu Schwar-
zach, Alpirsbach und unter der Umhüllung der Renaiſſance
leider immer noch verſteckt, an Schönheit und Großartigkeit der
Anlage und der Verhältniſſe alle andere weit übertreffend, die
jetzt als Pfarrkirche benützte ehemalige Kloſterkirche zu
Gengenbach. Auf letztere gedenken wir in einem beſondern
Aufſatz ſpäter noch zurückzukommen.
Sollte das Langhaus, ſpeziell das Mittelſchiff unſerer Mün-
ſterkirche jemals Gewölbe getragen haben, ſo köunen es nur höl-
zerne ſogenannte Bohlengewölbe geweſen ſein, welchen die Be-
zeichnung ,, Gewölbe' überhaupt nicht zukömmt, und die erſt
in den jüngſten zwei Jahrhunderten, als man die Werke der
italieniſchen Renaiſſance blind nachzuahmen ſtrebte, ohne auch
die Bedingungen ihrer Exiſtenz erfüllen zu wollen oder zu kön-
nen, bei uns in Anwendung kamen. Darum können ſie hier
als urſprünglicher Baubeſtandtheil auch nicht vermißt werden.

Die Nr. 51 dieſer Blätter bringt über ,,das Pfarrmünſter
in Villingen'' einen Aufſatz, der geeignet iſt das Jntereſſe an dieſem
altehrwürdigen Baudenkmal in hohem Grad anzuregen und das
Streben nach Weiterführung der begonnenen Reſtauration friſch
zu beleben. Um ſo erwünſchter dürfte es darum dem Verfaſſer
jenes Aufſatzes und wohl auch manchem Leſer ſein, wenn wir auch
auf einige Unrichtigkeiten, welche ſich aus Verſehen in die Dar-
ſtellung eingeſchlichen haben mögen, hier aufmerkſam machen.
Zunächſt ſei ergänzend erwähnt, daß das Langhaus dieſer
Kirche wohl ſeiner Zeit d. h. bis zum großen Brand, der es
theilweiſe zerſtörte, ganz unvermiſcht den ſpätromaniſchen Stil
des zwölften Jahrhunderts mit ſeiner die kommende gothiſche
Kunſtepoche bereits voraus verkündenden, hier jedoch nur ſporadiſch
auftretenden Uebergangsform getragen haben mag. Jetzt aber
ſind nur noch die Mittelſchiffmauern mit ihren plumpen Pfeilerbo-
genſtellungen und die beiden Hauptportale an der Weſt- und
Südſeite von dieſem romaniſchen Bau übrig. Davon iſt das
an der Südſeite als ein gekuppelter Doppeleingang ganz beſon-
ders bemerkenswerth. Denn nicht nur die jetzige Gypsdecke
der drei Schiffe, wie der Berichterſtatter richtig angibt, ſondern
auch die Umfaſſungsmauern der Seitenſchiffe mit ihren ſämmt-
lichen ſehr breiten und tief herabreichenden Fenſtern und den
ganz ſtumpf geformten Karnißgeſimſen gehören einer weit ſpä-
tern Zeit und zwar früheſtens dem Ende des ſiebenzehnten
Jahrhunderts an. Das große Spitzbogenfenſter in dem weſt-
lichen Giebel des Mittelſchiffes und die kleinere gekuppelte Spitz-
bogenöffnung darüber, der Chor und die beiden Thürme ſtammen
dagegen aus der ſpätgothiſchen Zeit, etwa dem Ende des
vierzehnten Jahrhunderts, wie aus der Form, Größe und Stel-
lung der Fenſter und aus der Profilirung dieſer und der frag-
lichen Geſimſe für jeden Sachkundigen unzweifelhaft hervorgeht.
Wenn der Verfaſſer , durch den breiten Mittelgang vorwärts
ſchreitend und aufwärts blickend von der Stukaturarbeit an der
Bühne unangenehm überraſcht iſt'', ſo theilen wir dieſes Gefühl
vollkommen, nur dehnt ſich unſer Mißbehagen noch etwas wei-
ter, namentlich auch auf die Gurten, Fenſter- und Thüreinfaſ-
ſungen, ſowie auf die Frieſe um die Bogen aus Stuck aus.
 
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