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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 5.1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.7151#0031
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg.

(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 56.

Domine diloxi docorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Auguſt 1866.

J. Mittheilungen aus v. Führich's Reflexionen über
chriſtliche Kunſt. )

ſondern nur verſchwommener geworden iſt, der hat an dieſer
Dispoſition weſentlich verloren. Denn jener tiefe Ernſt einer
klaren, wachenden Menſchenſeele, mit welchem ſie die fragenden
Blicke um Zweck und Weſenheit ihres Daſeius, um das ,,Was,''
,,Woher,'' ,,Wozu,'' ,,Wohin,'' in ſich hinein, und auf die
Außenwelt richtet, und auf welche nur dem Glauben Antwort
wird, iſt auch die nothwendige Bedingung für die Erkenntniß
der Kunſt.

Die kirchliche Lehre von der Nothwendigkeit eines lebendi-
gen Glaubens zu unſerem Heile involvirt auch jeden geſunden
Kunſtbegriff. Der Mangel an plaſtiſcher Lebendigkeit des Glau-
bens lähmt ebenſowohl die Glaubensthat, als die Glaubenskunſt.
Beide ſind Darſtellungen des Glaubens. Der nun verewigte
und vergeſſene Canonicus Späth ſagte zu Anfang dieſes Jahr-
hunderts in ſeinem Buche: ,, Die Kunſt in Jtalien', irgendwo:
Wie es eine Religion im Handeln gibt, gibt es auch eine
Religion in Bildern.'' Evangelium und Kirche fordert überall
den Glauben, und zwar einen lebendigen, d. h. einen ſolchen,
der ſich darſtellt, die Darſtellung der inneren Glaubenswelt
nach außen im Handeln und durch die That iſt dem Kunſtbe-
griffe ſehr verwandt, welcher ebenfalls ein Darſtellen der inner-
lichen Welt, ein Offenbaren derſelben durch die Mittel der
Kunſt iſt. Außer dieſer Verwandtſchaft liegt noch ein Zug alter
Ebenbildlichkeit hier vor. Alle Offenbarung (nichts anders als
eine Veräußerlichung, Darſtellung Gottes in Schöpfung, Er-
löſung und Heiligung) findet in der Menſchheit ihr einziges
Analogon beim Kunſtbegriff, nicht die Wiſſenſchaft, ſelbſt die
beſte, da ſie ihre Erkenntniß durch Forſchen erlangt (die Allwiſ-
ſenheit Gottes iſt eine ſeiner Eigenſchaften, nicht ſeine Thätig-
keit,) ja, nicht einmal die menſchliche Tugend, welche im Ringen
und im endlichen Siege über ihr Gegentheil beſteht, können
Analogieen Gottes genannt werden; die Kunſt allein — in ihrer
Reinheit gefaßt darf ſich als eine ſolche erkennen. Darum
gehören auch Kunſt und Religion untrennbar zueinander, denn das
Geſchäft der Religion, die Wiederherſtellung des getrübten Gottes-
lebens in der gefallenen Menſchheit, iſt auch das Darſtellen die-
ſes ewigen Lebensprincips in und an dem einzelnen Menſchen.
Die einzig wahre Dispoſition, Kunſt zu iben, und zu lie-
ben, durch ſie das Gemüth zu ergreifen, oder von ihr ergriffen
zu werden, liegt in der Lebendigkeit der Auffaſſung aller Lehren
der Offenbarung und Kirche, und ihrer Rückwirkung auf unſer
Leben. Wem irgend ein Glaubensſatz, wir ſagen nicht, verloren,

Alſo nochmals: von der Tiefe und Jnnigkeit unſeres Glau-
bens, von der Klarheit ſeiner Lehre in unſerem Bewußtſein,
wenn nämlich unſer ganzes tägliches Leben unter dem Einfluſſe
ſolcher Auffaſſung ſteht, hängt die Erkenntniß auch der Kunſt
und unſere Dispoſition für ihre Eindrücke ab. Wer durch den
Glauben ſich umgeben weiß von einer heiligen Lichtwelt und
einer grauenhaften finſtern Welt, wer es tief fühlt und täglich,
daß er, um der letzteren zu entrinnen, mit aller Kraft ſeiner
Seele ſich der erſteren anſchließen muß; wer es weiß, daß er
mit einer ſtummen Herzenserhebung ſeinen Gott und ſeinen
Engel und jene Scharen aller ſelig Vollendeten und jeden Ein-
zelnen aus ihnen erreichen und ſchweigenden Mundes mit ihm
reden kann; wer es weiß und glaubt, daß ein böſer, unreiner
Gedanke ebenſo von jener Lichtwelt erkannt, als vom Wider-
ſacher erlauert wird, und daß überhaupt der geiſtige Menſch
mit ſeiner Seelenthätigkeit hinübergreift in Daſeinsformen, welche
unberührt von Geſetzen des Raumes und der Zeit, die Men-
ſchenſeele, wenn auch noch eingeſchloſſen in die Schranken dies-
ſeitigen Lebens, dennoch ihnen uach freier Wahl als widerſtre-
bend oder verwandt erkennen: der lebt, ſelbſt ein Bild — oder
die Darſtellung und Vermählung eines Sinnlichen mit einem
Ueberſinnlichen — in einer Welt von Bildern, und wird, wenn
auch kein Kenner, ſo doch ein Erkenner aller darſtellenden menſch-
lichen Kunſt ſein oder um ſo lieber und leichter werden, als
ſeine Kirche ihm dieſe als Erhebungsmittel und liturgiſche An-
dachtsform und Quelle entgegenbringt. Je reiner und tiefer,
deſto inniger und wärmer die Religion in ſeinem Gemüthe ſich
entfaltet, je richtiger wird das bildende Princip, mehr oder
weniger in jedem Menſchen vorhanden, im kirchlichen Menſchen
zu einer Höhe erhoben, die von keinen noch ſo gelehrten Kunſt-

*) Von der Kunſt. Von Joſ. Ritter v. Führich, Prof. an der Akademie
der bild. Küͤnſte zu Wien. Wien. Sartori. 1866.
 
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