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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 13.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.7191#0005
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Kunſtblätter.

Chriſtliche

Organ des chriſtlichen Knnſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 141.

omine dlexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

1874.

Die bildliche Darſtellung der allerſeligſten ungfrau
Maria.

konnte. Jn der erſten Hälfte des ſechzehnten Jahrhunderts
verlor ſich dieſe Jnnigkeit des Seelenlebens immer mehr in der
chriſtlichen Kunſt und aus dem allgemeinen Leben überhaupt;
die Form wurde immer mehr Hauptſache. Es erſchien Raphael
Sanzio, ein beinahe einzig in der Kunſtgeſchichte daſtehendes
Künſtlertalent. Er trug mit ſeinen irdiſch ſchönen Jtaliener-
innen ſehr viel zur Verweltlichung der chriſtlichen Kunſt bei.
Raphaels Marienbilder ſind in ſeiner Jugend noch einfach und
fromm, die ſpätern Marienbilder von ſeiner Hand ſind richtig
gezeichnet, ſehr ſchön gemalt, ſie ſind Meiſterwerke formeller
Harmonie; die ſittliche Würde aber, wie ſie ſich in den Bil-
dern des Mittelalters findet, iſt in ihnen verſchwunden; man
bemerkt keine Spur von dem Bewußtſein Mariens, daß ſie
den Sohn Gottes in ihren Händen hält. Nach Raphael ging
es raſch abwärts und bemerkenswerth ſind nur noch an chriſt-
lichem Gehalt die Meiſter Luini und Guido Reni. Wie
durch die Glaubensſpaltung in Deutſchland und den theilweiſen
Abfall von der katholiſchen Kirche ein Druck auf die allge-
meine Characteriſirung der bildlichen Kunſt in dieſem Lande
ausgeübt wurde, ſo war es in Jtalien das antikiſirende und
naturaliſirende Streben in Kunſt und Wiſſenſchaft, welches
allmälig eine neue heidniſche Weltanſchauung hervorbrachte.
Die Deutſchen machten es den Jtalienern nach, und es
trat in beiden Ländern eine fürchterliche Verwilderung ein.
Die lobenswerthen Bemühungen der beiden Carraccis, die
Kunſt der Form nach in den Geſetzen der Anatomie zu er-
halten, vermochten natürlich der geiſtig abwärts ſchießenden
Zeitſtrömung wenig Einhalt zu thun. Jn Deutſchland blühte
im Anfang des ſiebenzehnten Jahrhunderts der talentvolle Peter
Paul Rubens. Er iſt der Gründer derjenigen Kunſtrichtung,
welche ſchnell anzieht, das Gemüth aber nicht feſthält, welche
hinreißt und doch nicht länger befriedigt; ſie iſt in gigantiſcher
Form gegeben, iſt aber ungebunden; ſie anerkennt das Geſetz
des menſchlichen Körperbaues nicht, ſie iſt unorganiſch. Unter
Rubens und zu ſeiner Zeit wurde in Deutſchland das Fleiſch
zur Hauptſache gemacht, dasſelbe wurde üppig und ſchwül-
ſtig dargeſtellt, ſo daß es den bildlichen Gegenſtand be-
herrſchte und auf dieſe Weiſe dominirend den ſittlichen Beruf
des Menſchen möglichſt verdunkelte.

*Die bildlichen Darſtellungen der allerſeligſten Gottes-
mutter ſind zahllos und reichen bis in die erſten Zeiten der
Kirche zurück. Schon in den Katakomben finden ſich Darſtel-
lungen von Maria und jede ſpätere Periode liebte vorzugsweiſe
dieſe Darſtellung. Je chriſtlicher die Zeit war, deſto ſchönere
Marienbilder ſchuf ſie und der Grundſatz, daß nicht die Hand
des Menſchen die Schöpfung, die er hervorbringt, ſchafft, ſon-
dern daß ſeine Seele durch ſeine Hände arbeitet, findet hier
die vollſte Beſtätigung. Jn den älteren Zeiten, beſonders in
der romaniſchen Kunſtperiode, gab man dem Bilde Mariens
eine mehr ernſte Würde, wie die Originalſtatuen der Gnaden-
mutter in Altötting und Ettal, wie auch alle anderen Marien-
bilder aus jener Zeit dieſes bezeugen; während die darauf
folgende gothiſche Periode Würde und Liebe vereinigte und ſo-
mit ein kirchliches Kunſtverſtändniß beweiſt, welches für alle
Zeiten ein weiſer Fingerzeig hätte ſein können. Die vorzig-
lichſten Meiſter der gothiſchen Zeiten ſind in Deutſchland,
Jtalien und den Niederlanden: Wilhelm und Stephan von
Köln, van Eik, Hemling, Rogier von der Weiden, Schongauer,
Holbein d. Aeltere, Lukas Kranach, Cimabue, Martin Simone,
Fra Filippo Lippi, Fra Angeliko Fieſole, Crivelli ꝛc. ꝛc. Eines
der genialſten Marienbilder jener geiſtvollen Zeit iſt das im
ſogenannten Kölner Dombilde, welches dem Meiſter Stephan
zugeſchrieben wird. Das Bild iſt großartig in der ganzen
Auffaſſung und hat eine ausgezeichnete Durchbildung; himm-
liſcher Friede ergießt ſich über das ganze Bild. Ein nicht weniger
ſchönes Bild von Maria, wie ſie das göttliche Kind im Tempel
zum Opfer bringt, von Hans Holbein dem Aelteren, befindet
ſich im Dome zu Augsburg. Alles, was die Deutſchen und
Jtaliener ꝛc. re in jenen merkwürdigen Jahrhunderten glaubten,
liebten, hofften, was im Herzen des ganzen Volkes lebte, ſtell-
ten ſie meiſtens tief empfunden, richtig gedacht und vollkommen
deutlich entwickelt im Bilde, beſonders im Marienbilde, dar.
Es iſt beinahe unbegreiflich, wie ſich in den beſſern mittelalter-
lichen Marienbildern eine ſo himmliſche Harmonie ausdrückt,
und wie die chriſtliche Seele ſich zum Vollglauben erheben
 
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