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Mai 1911

Dreiundfünfzigster Jahrgang

Nr. 5



Agsn des SundesderfteundesürVolkskunsh

licistlicheslliunft-iölallj
fur^irche, schule univhaus
öjerausgegeben von
D.theol. David Koch
erscheint monatlich in einem heftzu Z2 bis 48
Seiten uni) enthält viele rertillustrationen, 1-2
farbige knnstbeilagen unö bisweilen Voten.
Preis für bas Vierteljahr 2 Nark. 2u begehen
durch alle Postämter und öuchhanölungen.

Lin neues Lutherbild.
von Varl Bauer-München.
^-^arl Lauer in München, der Schöpfer eigenartiger Typen unserer Geistes-
Heroen, hat ein neues Lutherbild gemalt — zum erstenmal in einer Kirche -
in der Kirche zu Görlitz, die 1910 renoviert wurde.
Zunächst begrüßen wir freudig die Tatsache, daß endlich wieder einmal einer
unsrer ersten Künstler „kirchenfähig" geworden ist. Welch unglaubliches Zeug
von gemalten Lutherbildern verunziert die evangelischen Kirchen! Die mißratenen
Lutherbilder kann man diesen Malern zweiten bis sechsten Grades nicht einmal
verübeln. Um einen Großen darzustellen, muß man selbst etwas von ihm erlebt
haben. Ls genügt nicht, die bekannten Luther-Tranach-Porträts zu kombinieren
zu einer soliden Unstreicherarbeit. Uuch in diesen Lutherbildern liegt eine böse
Zeit künstlerischer Bescheidenheit hinter uns.
Unter den ersten Unzeichen vom Lrwachen eines besseren Kunstwillens in unserer
Kirche konnte ich's beobachten, daß man mich zuerst um bessere Lutherbilder bat.
Der Zufall führte mich dann in der Münchener Sezession vor ein Uietzsche-
Vild von so genialer Uuffassung, daß ich mir sagte: Der Mann kann auch Luther
neu darstellen. Unter der Lithographie stand: Karl Lauer und ein Zettel: „35mal
verkauft". Das war vor vielen Jahren. Seither ist Karl Lauer der erste unter
den modernen Künstlern, die die Kraft haben, für Geisteshelden einen Typus zu
schaffen, der zwischen „Wahrheit und Dichtung" schwebend, mit Goethescher Menschen-
kenntnis das Wesentliche am wirklichen Wert eines Menschentums herausmeißelt.
Man hat natürlich diesen Karl Lauer angegriffen. Kampf ist ja gesund und
bringt vorwärts. Man sagte: „Ja, mein lieber perr, so sah doch Luther nicht
aus!" Wenn ich so geistreich gefragt wurde — namentlich Karl Lauers Llitz-Luther
entfesselte geistvolle Menschen - dann sagte ich oder schrieb ich regelmäßig: „Über-
mein lieber kferr, haben Sie vielleicht Goethe oder Luther gesehen?"
Unser Luther lebt auch nicht in den teils realistischen Bildern von Lukas
Tranach im Gedächtnis der Volks"» .antasie, sondern in irgend einem idealen Typus.
 
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