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382
Christliches Kunstblatt für Kirche, Zchule und Haus
Nr. 10

Pfarrer?" im genannten Sinne ergänzte, der Referent unser Album „Vie Freiheitskriege
in der Kunst" voll warmer Anerkennung empfahl, auch sonst durchaus zustimmend.
S. 428ff. beschreibt und beurteilt IN. Schian „Gerhart Hauptmanns Iahr-
hundertfe st spiel" mit dem Ergebnis, daß es dem Dichter gelungen, etwas Neues
zu schaffen, daß er aber doch den Wünschen nicht gerecht geworden, die das deutsche
Volk an ein Iahrhundertfestspiel im Jahre 1913 zu stellen berechtigt ist. Professor
Eugen Kühnemann-Breslau schrieb in der „Thristl. Welt" Nr. 28, Sp. 659 ff. einen
Aufsatz: „Der Streit um das Breslauer Festspiel Gerhart'Hauptmanns", der beginnend
mit einer beachtenswerten Lharakteristik des Stils der neuen Festhalle sehr optimistisch
schließt, u. a. mit dem Satz: „mit Staunen sehen wir, wie tief und leidenschaftlich in den
weitesten Kreisen der Anteil ist, wo es die Freiheit des kulturellen Schaffens gilt", auf-
rufend zur Pflicht, „einzutreten für die Bedingungen eines hohen Wachstums von Kultur
und Kunst in Freiheit." An diesen Aufsatz knüpft Schian an in seiner Ehronik der
August-Nr., S. 499 ff., beklagend, daß von vielen Seiten die Sache des Festspiels mit der
Sache der Kunst gleichgesetzt wurde: „Line Begeisterung für die Freiheit der Kunst,
die keinerlei Verständnis für das Recht der Kritik des Kunstwerks hat, ist aber keines-
wegs eine nur erfreuliche Erscheinung." politische und ein wenig auch konfessionelle
Gegensätze gereichten der Sache zum Unheil; der Keim aber zu den Wirrnissen lag darin,
daß die Ausstellungsleitung ein Stück annahm, das sie nicht kannte. Vas Gute am
Festspielstreit wäre, wenn er gezeigt, daß über dem „weltgeschichtlichen" der deutsche
Standpunkt nicht vergessen werden darf. Auch Baumgarten, der in seiner Kirchlichen
Chronik (Lvang. Freiheit, Augnst, S. 317 f.) im Blick auf das verflossene
Regierungsjubiläum unseres Kaisers bei Rachfahl's wissenschaftlicher Würdigung der
Regierungstätigkeit Wilhelms II. das Fehlen jeden Eingehens auf seine „Kirchen-, Schul-
und Kun st Politik, die doch für die innersten Beziehungen der Nation von so hoher
Bedeutung", bedauert, beklagt im Blick auf Kühnemann, „daß man durch ästhetisch-
künstlerische Motivierung über die tiefe Enttäuschung hinwegführen will, die jeder schlicht,
national und pietätvoll empfindende Deutsche bei diesem Festspiel erleben mußte."
August, S. 478 ff.: „Deutsche religiöse Lyrik." Ein Blick auf ihre Geschichte,
von Pastor Siegfried Maync in Gleiwitz. Line willkommene Ergänzung zu der Ab-
handlung Professor Blind's (s. Aus Zeitschriften, S. 186 d. 3.). Nach einem Hinweis auf
Vtto Frommels einschlägiges Buch aus der Weinel'schen Sammlung, die Anthologieen
von Lang und Günther wird die ganze ältere deutsche religiöse Lyrik von Luther bis
zum Anfang des 19. Jahrhunderts als gefühlte, nachempfundene Theologie in einer
Epoche zusammengefaßt. „Jeder geistliche Vogel in diesem Walde singt, wie ihm sein
theologischer Schnabel gewachsen ist, und singt gut." Bei dem sich hier findenden, oft so
herzerquickenden, fröhlichen, naiven Ineinander von Religion und Natur erscheint letztere
vielfach „mehr wie auf den alten Bildern niederländischer Meister als anbetende Staffage,
mehr als Dienerin Gottes und Vewnnderin seiner Lrlösungstaten", wogegen bei den
Modernen „die Natur viel mehr der mütterliche Schoß des Religiösen" (objektiv-subjektiv)!
dieser Gedanke ist gut veranschaulicht durch Gegenüberstellung des vierten Verses von
Erasmus Alberus' „Steht auf, ihr lieben Kinderlein" mit Worten von Wilhelm Langewiesche
aus dem ersten Gedicht seines Buches „Und wollen des Sommers warten". Franz von
Assisi und Novalis werden als zeitlos charakterisiert; Novalis zur Seite wird A. von Oroste-
Hülshoff, die gegenüber dem stets sich ermunternden Gerhardt, stets sich prüfende Dichterin
gestellt mit ihrer Eigenart, einer katholischen und einer modernen Wurzel. Wohl knüpft
das Ende des 19. Jahrhunderts an den Anfang an, aber die Dichter von heute sind
durch Venkprobleme stärker erregt als die damals; doch sind dabei die Untertöne tief
religiös; die moderne religiöse Lyrik empfindet meist protestantisch, ist aber nie kon-
fessionell. Vie Aufnahmefähigkeit von Gedichten als Lieder in die Gemeindegesangbücher
wird nachgewiesen an Proben von Ernst Knodt und Schönaich-Tarolath; dagegen ist des
 
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