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Parello, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Regensburg und der Oberpfalz: ohne Regensburger Dom — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 13,2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.52874#0122
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GEISLING • URSULAKAPELLE

die Kapelle eines heute nicht mehr bestehenden Schlosses der
Auer. Auch ihre Ausstattung mit Glasmalereien dürfte die-
sem Geschlecht zu verdanken sein. Heute ist freilich nur noch
ein Wappen der Auer von Brennberg in einem der erhaltenen
Felder zu sehen. Die Kapelle überstand die Welle der Barocki-
sierung ohne eingreifende Veränderungen und wurde in den
Jahren 1981 und 1986 renoviert4.
Geschichte der Verglasung: Der Bestand war bereits
um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf den heutigen Umfang
reduziert (vgl. Reg. Nr. 11). Im Jahr 1907 wurde die Vergla-
sung durch die Königlich Bayerische Hofglasmalerei Georg
Schneider in Regensburg restauriert und, um drei Sockel-
felder ergänzt, in neuer Ordnung eingesetzt5. Dieselbe Firma war nach dem Zweiten Weltkrieg auch mit dem Wie-
dereinbau der während des Krieges deponierten Scheiben betraut; dabei wurden die Figuren des Hl. Papstes (Gregor)
und der Hl. Barbara vertauscht. 1986 erhielten die Fensteröffnungen der Kapelle eine Schutzverglasung, die Glasma-
lereien wurden restauriert6. Die Franz Mayer’sche Hofkunstanstalt, München, reinigte die Glasmalereien mit wei-
chen Rindshaar- und Glasfaserpinseln; außenseitige Verschmutzungen konnten weitgehend trocken entfernt werden,
um auf diese Weise die rückseitige Bemalung zu schonen. Allerdings mattierte man danach die Außenseite mithilfe
Keim’scher Silikatfarben, die eine Streuung zu starken Auflichtes bewirken sollen. Um die älteren Ergänzungen an die
zwischenzeitlich korrodierten Gläser anzugleichen, wurden diese mit Acrylfarbe retuschiert. Schließlich führte man
auch die vertauschten Figuren mit ihren ursprünglich zugehörigen Kopfscheiben wieder zusammen. Die Montage der
restaurierten Felder erfolgte in Messingrahmen.


sIV

Fig. 94. Geisling,
Ursulakapelle.
Grundriss mit
Fensterschemata
im Maßstab 1:200.

S III
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Erhaltung: Die Ergänzungen von 1907 und 1949 heben sich aufgrund ihrer größeren Transparenz - trotz der jüngs-
ten Retuschierungen - von den mittelalterlichen Partien ab. Infolge des beschleunigten Zersetzungsprozesses der letz-
ten Jahrzehnte fallen die Unterschiede zwischen den alten und neuen Gläsern heute vermehrt ins Auge. Der Zustand
der Gläser reicht von fleckiger Verwitterung bis hin zur vollständigen Lichtundurchlässigkeit, wobei die Korrosion
nahezu alle Farbgläser mit Ausnahme von Rot und Weiß erfasst hat. Bemerkenswerterweise zeigen diese Gläser weder
innen- noch außenseitig nennenswerte Korrosionsschäden. Konturen und Halbtöne der Innenseitenbemalung sind
gut erhalten, obgleich stellenweise Ausbrüche der Schwarzlotzeichnung festzustellen sind, und auch die Außenseite
hat ihren reichen Halbtonauftrag bewahrt. Unter dem Mikroskop lässt sich indes eine Mikrokrakelierung in tiefer
liegenden Glasschichten feststellen, in denen sich jener chemische Zersetzungsprozess abspielt, der die massive Ver-
bräunung der Gläser bewirkt7.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Die Hürden, die der Rekonstruktion des Bildprogramms bisher
im Weg standen, beginnen mit der Bestimmung der Heiligenfiguren. Hier hat Hoernes in dem Ritterheiligen, der
bislang meist als Hl. Georg bezeichnet wurde, zutreffend den böhmischen Heiligen Wenzel erkannt (Fig. 9$)8. Der le-
diglich mit einer Ferula ausgezeichnete Papstheilige wäre mit Blick auf die weitgehend gleich gestaltete Figur im Taber-
nakelfenster süd XIV des Regensburger Domes mit Gregor dem Großen zu identifizieren (Fig. 9b)9; Gregor wird dort
durch ein Buch explizit als Kirchenlehrer ausgewiesen, doch gehört auch der Kreuzstab in zahlreichen Darstellungen
zu seinen Attributen10. Zweifelsfrei über ihre Attribute zu bestimmen sind die Heiligen Petrus und Barbara (Fig. ioof.).

5 In diesem Zustand sind sie auch bei Mader 1910, Fig. 48!., abgebil-
det. Vgl. auch Elsen 1940, S. 151, Taf. 64. Zur Werkstatt Schneider s.
Vaassen 1997, S. 177k
6 Die folgenden Angaben sind dem Dokumentationsbericht der Franz
Mayer'sehen Hofkunstanstalt, München, vom 9. Oktober 1986 ent-
nommen. Eine Kopie befindet sich im Archiv des CVMA Freiburg.
7 Der Forschungsbereich »Glaskonservierung« des BLfD, München,
unter Leitung von Hannelore Marschner riet von einer chemischen
Entfärbung der Gläser ab, da hierdurch eine weitere Schädigung zu

erwarten war und eine dauerhafte Konservierung zum damaligen
Zeitpunkt nicht gewährleistet werden konnte. Hierzu Marschner
1986.
Hoernes 2001, S. 34.
9 Fritzsche 1987, II, Abb. 479 (Lhs. süd XIV, 4/50). Die Figur ist im
Nimbus mit S • GREGORIVS bezeichnet.
So etwa auf einem Glasgemälde in der Kathedrale von Wells,
um 1325/30. Hierzu Ayers 2004, S. 392E (Chor NORD III, 1-30).
Vgl. auch LCI, VI, 1974, Sp. 435h (Alois Thomas).
 
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