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XII

EINFÜHRENDE HINWEISE UND ERLÄUTERUNGEN

zugleich das lineare Gerüst der Bildkomposition fest. Die Bemalung der Farbgläser ermöglicht die Differenzierung
und Modellierung des farbigen Lichtes und damit die bildliche Darstellung.
Die mittelalterlichen Farbgläser bestehen aus einem Gemenge von zwei Teilen Buchenholz und Farnasche (Pottasche)
und einem Teil Sand (Silicium), das bei etwa 700° miteinander verschmilzt. Zur Färbung der flüssigen Glasmasse
(Fritte) werden verschiedene Metalle (Kupfer, Eisen, Mangan, Kobalt) hinzugefügt, bei deren Oxydation eine be-
stimmte Färbung erzielt wird. Manche Gläser zeigen einen schichtenförmigen Aufbau, bestehen also aus mehreren
Überfängen; hierzu wird der Glaszylinder während des Blasens in verschiedene Fritten getaucht. Rotes Glas wird in
der Regel als Uberfangglas hergestellt, gelegentlich auch aus unvollständig vermischter weiß-roter Fritte als Hafenmisch-
glas. Das in Zylindern geblasene Farbglas ergab nur kleine Glastafeln, die im Spätmittelalter immerhin eine Fläche von
einem Viertel Quadratmeter erreichten. Die Glastafeln waren uneben, in der Dicke ungleich und mit Unreinheiten
(Bläschen, Buckeln) durchsetzt, hervorgerufen durch die unvollständige Oxydation der färbenden Metalle. Diese
technischen Unvollkommenheiten machen jedoch den besonderen Reiz mittelalterlicher Farbgläser aus.
Als Malfarbe kennt der Glasmaler des Mittelalters zunächst nur das Schwär^ oder Braunlot, das durch Aufbrennen mit
dem Farbglas verbunden wird. Hierzu wird der Farbsubstanz (Eisenhammerschlag, Kupferoxyd) zerstoßenes Bleiglas
beigemischt, das einen niedrigeren Schmelzpunkt als das Grundglas besitzt und dadurch eine nachträgliche Verbin-
dung mit diesem ermöglicht. Das Schwarzlot wird als Kontur- und Über^ugsfarbe verwendet und vermag das Grundglas
nur in seiner Transparenz zu verändern. Eigentliche Malfarben, mit denen der Farbton des Grundglases verändert
werden kann, sind erst Silbergelb und Eisenrot, die seit dem frühen 14. bzw. seit der Mitte des 15. Jh. in Gebrauch
kommen.
Die mittelalterlichen Bleiruten sind schmal und hochstegig und besitzen abgerundete Kuppen, durch die die Gläser
gehalten werden. Auf Grund ihrer Biegsamkeit können sie jeden möglichen Glas^uscbnitt nach vollziehen.
Die Arbeit des Glasmalers beginnt damit, daß er das auszuführende Glasgemälde in natürlicher Größe auf einer weiß
grundierten Holztafel, auf Leinwand oder Pergament, später auf Papier, aufreißt und damit die Größe der einzelnen
Gläser und den Bleiriß festlegt. Als zweiter Arbeitsgang folgt die Zuschneidung der Gläser mit dem Kröseleisen;
mittelalterliche Farbgläser weisen daher stets unregelmäßige Bruchkanten auf. Die Bemalung besteht in der Regel aus
drei Schichten, einem flächenhaften Wasserton, einem modellierenden oder schattierenden Halbton und einer mehr oder
weniger deckenden Kontur. Sie wird in der Regel auf der Innenseite aufgetragen, häufig aber durch Bemalung auf der
Außenseite verstärkt. Die Struktur der Bemalung kann der Glasmaler dadurch differenzieren, daß er sie in negativer
Technik mit dem Stoffballen, dem trockenen Pinsel, dem Pinselstiel oder der Nadel durch Wischen, Stupfen oder Radieren
teilweise wieder entfernt. Danach werden die Gläser gebrannt und verbleit.
Über die Technik der mittelalterlichen Glasmalerei unterrichten noch immer am anschaulichsten Fritz Geiges, Der
alte Fensterschmuck des Freiburger Münsters, Freiburg i. Br. 1901, S. 154—200, und Heinrich Oidtmann, Die rheini-
schen Glasmalereien vom 12. bis zum 16. Jh., Düsseldorf 1912, S. 1—69. Die neueren Erkenntnisse auf diesem Gebiet
vermittelt am besten das Referat Gottfried Frenzel/Eva Frodl-Kraft auf der Tagung »Corpus Vitrearum Medii
Aevi«, Erfurt 1962, in: OZKD 17, 1963, S. 93—114, sowie Eva Frodl-Kraft, Zur Frage der Werkstattpraxis in der
mittelalterlichen Glasmalerei, in: Glaskonservierung. Historische Glasfenster und ihre Erhaltung (Arbeitshefte des
Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 32), München 1985, S. 10—22, und zuletzt Sebastian Strobl, Glastechnik
des Mittelalters, Stuttgart 1990.
Zum Erscheinungsbild farbiger Verglasungen: Die Entwicklung der mittelalterlichen Glasmalerei ist aufs engste
mit der Entwicklung der Architektur verbunden. In den relativ kleinen Fensteröffnungen romanischer Bauten waren
die Glasgemälde zugleich Lichtquelle. In den stark durchbrochenen gotischen Bauten werden sie zur raumabschließen-
den diaphanen Wand. Der Ausdehnung der Farbverglasungen waren jedoch künstlerische und ökonomische Grenzen
gesetzt. So kam es in der Spätgotik zur Ausbildung partieller Farbverglasungen, in denen die farbigen Glasgemälde nur
noch einen Teil der Fenster füllten, während die übrigen Fensterflächen mit Butzen oder Rauten blankverglast waren.
Zuvor waren in der Hochgotik bereits figürliche Farbverglasungen mit mehr oder weniger farbigen Ornamentvergla-
sungen verbunden worden.
Die klassische Gliederungsform szenischer Glasmalereien ist das Medaillonfenster aus miteinander verbundenen oder
unverbundenen Kreisen, Rauten oder Paßformen (Vierpaß, Langpaß}, die jeweils genau beschrieben und gegebenen-
 
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