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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG


i. Ulmer Stadtansicht in Hartmann Schedels »Vfeltchronik«. Nürnberg, 1493.

Die Geschichte der Ulmer Glasmalerei, so wie sie sich heute dem Interessierten erschließt, ist aufs engste mit den
einzelnen Bauetappen des Münsters verknüpft, denn nahezu der gesamte erhaltene Scheibenbestand — rund 450
mittelalterliche Felder — wurde eigens für diesen einen Standort geschaffen und befindet sich dort auch noch großen-
teils am ursprünglichen Platz. Da aus keinem anderen Kirchenbau der Stadt Farbverglasungen oder auch nur Reste
davon bewahrt geblieben sind, entsteht ein Mißverhältnis, das — im Unterschied etwa zur breiten Überlieferung der
Kölner, Straßburger, Nürnberger Glasmalerei und im Gegensatz zu Lüneburg - auch durch die wenigen auswärts
erhaltenen und als Ulmer Arbeit erkannten Farbfenster nur sehr bedingt wieder ausgeglichen werden kann. So gewiß
das exportierte Werk des Hans von Ulm im Berner Münster zum Bild der Blüte Ulmer Glasmalereiproduktion vor Mitte
des 15. Jh. gehört und dieses auch entscheidend mitgeprägt hat, so ungewiß bleibt in Ermangelung entsprechend
gesicherter Zeugnisse in und außerhalb der Stadt unsere Kenntnis vom Aussehen der Ulmer Glasmalerei vor der Mitte
des 14. Jh. und nach der Mitte des 15. Jh., d. h. vor dem Baubeginn des Münsters und nach dessen weitgehender
Vollendung. So schmerzlich dieser Mangel aber auch im Elinblick auf die größeren, Jahrhunderte umfassenden Ent-
wicklungslinien empfunden werden mag, so sehr entschädigt dafür wiederum die immer noch erstaunlich große
Vielfalt und der unbestritten hohe künstlerische Rang des im knappen Zeitraum von weniger als hundert Jahren
entstandenen und erhaltenen Bestands.

Stand der Forschung
Die ersten beschreibenden Darstellungen des mittelalterlichen Glasmalereibestands in Ulm durch den Münsterpredi-
ger Elias Frick (Templum Parochiale Ulmensium) und den Chronisten Marcus Wollaib (Paradysi Ulmensis) reichen
zurück ins frühe 18. Jh. und betreffen ausnahmslos die Fenster des Münsters, wobei allein der besondere Quellenwert
dieser beiden frühen Schriften durch die Überlieferung heute verlorener Fensterstiftungen in Chor und Langhaus
sowie den Kapellen der Familien Neithart und Roth hervorzuheben ist1; sporadische Hinweise auf verlorene oder
abgewanderte Glasgemälde im Rathaus verzeichnet auch die im übrigen auf kurze Erwähnungen beschränkte lokalhi-
storische Literatur des 18. und 19. Jh. - namentlich »Ulm mit seinem Gebiete« von Johann EIerkules Haid aus dem
Jahr 1789, die Beschreibung der Stadt durch Michael Dieterich von 1825 und die umfassende Abhandlung über
1 Frick, 1718 bzw. 2i7ji, S. 19—21, 33—37, und Wollaib (StA Ulm, G
1/1714; vgl. in Auszügen Reg. Nr. 73).
 
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