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XLII

KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG



18. Versuchte Steinigung Christi. Prag, Emauskloster, Kreuzgang. Prag, um 1360.

19. Versuchte Steinigung Christi aus dem Medaillon-
fenster. Ulm, Münster, Chor s I \f 10c. Ulm, um 1420.

Johann Ehinger gen. Habvast zu selten des Sakramentshauses, die von Schultz zutreffend auf Vorbilder wie die gegen
1373 entstandene Standfigur des Hl. Wenzel im Prager Veitsdom oder die gerüsteten Tumbenfiguren des Bretislav I.
und II. ebenda (1376/77) zurückgeführt worden ist und in ihrer modisch strengen Kostümierung ebenso wie in der
langovalen Kopfform mit hoher Stirn, ausgeprägter Nase und dem kleinen Mund den besonderen Figurentypus der
ersten Chorfensterwerkstatt vorwegnimmt (Textabb. 6, 8)79. Im Einzelfall noch enger verwandt erscheinen die Reliefs
der Schöpfungsgeschichte am Westportal, die — folgt man den weitgehend einhellig vorgebrachten Argumenten der
Bauforschung — noch unter Michaels Leitung begonnen und in etwas gesteigertem Maßstab unter Heinrich d. J. (III)
gegen 1391 vollendet wurden (Textabb. izf.; vgl. auch Tat. XXXIVa, b)80. Schon diese außergewöhnlichen Steinmetz-
leistungen ab Mitte der achtziger Jahre, die ohne Zweifel stilbildend auf die ersten örtlichen Glasmaler gewirkt haben,
sind mit Kräften verbunden worden, die im Gefolge Michaels von Prag nach Ulm gekommen sein dürften; nochmals
ausgeprägter sind die Prager Bezüge bei den herausragenden Bild- und Laubhauern, die unter der Leitung Heinrichs d.
J. ab 1387 an den reich ausgestatteten Konsolen des fünften bis achten Langhausjochs — besonders den beiden
Frauenbüstenkonsolen — in Ulm in Erscheinung traten (Textabb. 4)81.

79 Das Erinnerungsdenkmal dürfte nach Aussage der Konsolwappen
vom Sohn des Dargestellten und dessen Frau (geb. Roth) gestiftet wor-
den sein. Eine Datierung in unmittelbarem Anschluß an das Todesjahr,
wie sie von Hans Wentzel, Stifterbilder der Zeit um 1400 in Württem-
berg, in: Württembergisch Franken NF 20/21, 1939/40, S. 244, Schultz,
1954, S. i2iff., und Reinhard Wortmann, in: Kat. Ausst. Parier, 1978,
I, S. 329, angenommen wird, ist allerdings nicht zwingend vorauszuset-
zen, vergleicht man etwa die eng verwandten, doch erst in den 90er
Jahren unter der Bauleitung Ulrichs von Ensingen angefertigten Ergän-
zungsreliefs am Südwestportal (Textabb. 5).

80 Schultz, 1954, S. 154—193, Zahlten, 1977, S. 184—194, und zusam-
menfassend Wortmann (s. Anm. 79), 1978, S. 330.
81 Vgl. hierzu auch Wortmann (s. Anm. 79), 1978, S. 330—333. — Was die
Identität Heinrichs d.J. betrifft, so ist über die vorausgesetzte Prager
Schulung hinaus wenig Greifbares mitzuteilen. Im April 1387 wird er in
Ulm verpflichtet, Ende 1391 erscheint er als Baumeister am Mailänder
Dom und wird dort bis zu seiner Entlassung im Mai 1392 magister henricus
de Ulma in^ignerius fabricae, Enricus da Gamondia oder Henrichus de Gamundia
theutonicus genannt (Herbert Siebenhüner, Deutsche Künstler am Mai-
länder Dom, München 1944, S. 67—69).
 
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