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18o

MÜNSTER

ANHANG: ABGEWANDERTE SCHEIBEN (Nr. i, 2)
BURG KREUZENSTEIN BEI WIEN
1,2. STIFTERBILDER MIT WAPPENNEITHART
Ehemals Ulm, Münster, Neithart-Kapelle, nord II, a und d46.
Maße nicht bekannt.
Angeblich aus Beelitz in Schlesien in die Sammlung des Gra-
fen Wilczek auf Burg Kreuzenstein gelangt47. Nach 1945 zu-
nächst verschollen; im Zuge der Restaurierung der Kreuzen-
steiner Scheiben 1976 wieder aufgetaucht. Das Feld des rech-
ten Stifters war erstmals von Werner, 1970, stilistisch mit
Ulm in Verbindung gebracht worden, doch erst Wortmann,
1973, ist die überzeugende Identifizierung mit Matthäus Neit-
hart und die Lokalisierung ins Nordfenster der Neithart-Ka-
pelle gelungen. Becksmann, 1984, ist schließlich der Hinweis
auf die Existenz der linken Stifterfigur zu danken.
Von den acht Brüdern des 1439 verstorbenen Kapellenstifters
Heinrich Neithart d.A. kommen nur zwei für eine Identifizie-
rung der Dargestellten in Frage: 1. Matthäus Neithart, ein
Halbbruder Heinrichs aus zweiter Ehe war seit 1424 Chorherr
der Propstei St. Felix und Regula am Großmünster in Zürich.
1431 wurde er Zürcher Bürger und 1439 Propst ebenda; er
starb 1466. Außerdem war er zugleich bis 1444 Pfarrer am
Ulmer Münster. Alles deutet daraufhin, daß wir in diesem den
dargestellten rechten Stifter des Fensters (d) zu sehen haben48.
2. Ludwig Neithart war Stiftspfarrer in Konstanz, 1414 bi-
schöflicher Offizial bei der Eröffnung des Konstanzer Kon-
zils, 1436/37 Generalvikar und 1437 gleichfalls Chorherr am
Zürcher Grossmünsterstift. Er starb 1447 und dürfte aller
Wahrscheinlichkeit nach im linken Stifterbild des Fensters (a)
dargestellt gewesen sein49.
Inschriften: Auf den gewundenen Schriftbändern der beiden
Kniefiguren stand in gotischer Minuskel in a: Sancte • Jeroni(m)e
■ doctor/eximiep(ro) nobis inter/cede-, in d: S(an)ctor(um) / felicis •
(f)t ■ regule ■ (o)racio / comne(n)det ■ nos ■ omnipotenti deo.
Erhaltung: Ursprüngliche Breite stark beschnitten. Fehlstellen
in Gewändern, Wappen, Schriftbändern und Hintergrund 1976

Abb. 366, 368 f.
geschlossen; Kopf und Hände der linken Stifterfigur bereits
im 19. Jh. ergänzt, ebenso wohl auch die seitlichen Randstrei-
fen.
Komposition, Farbigkeit: Kniende Stifterbilder in weißer Chor-
herrenkleidung auf hellgrünem Rasenboden vor gelb gesäum-
tem roten Vorhanggrund. Wappenschilde weiß. Randstreifen
aus rosa Profilen und eingestreuten grünen Vierblattquadra-
ten. Interessant ist der farblose Butzengrund, der oberhalb des
roten Vorhangs die weißen Schriftbänder hinterfängt und die
schmalen Nischen gewissermaßen >natürlich< beleuchtet30.
Stil, Datierung: Um 1450.
Bundesdenkmalamt Wien N 68 044, 68 530

46 Lichtes Gesamtmaß: H. ca. 3,46 m, B. ca. 2,47 m. Vierbahniges Fen-
ster mit seitlich jeweils zwei, in den beiden mittleren Bahnen des
»Binnenfensters« drei Zeilen. Maße der Rechteckfelder: H. ca. 87 cm,
B. ca. 56 cm. Heute blankverglast; zur ursprünglichen Färb verglas ung
vgl. S. 171-173-
47 Die fragliche Provenienzangabe »Beelitz«, die im Kreuzensteiner In-
ventar nicht nur die beiden UlmePStifterscheiben betrifft, ist von Becks-
mann (s. Bibi. S. 169) im Falle der sechs Scheiben eines typologischen
Zyklus aus Rufach im Elsaß dahingehend bewertet worden, daß auf
diese Weise eine mutmaßliche Veruntreuung der mittelalterlichen Glas-
gemälde durch die Werkstatt Zettler Ende des 19. Jh. verschleiert werden
sollte. Für Ulm, wo die Stifterscheiben bereits Mitte des i9-Jh. nicht
mehr in der Neithart-Kapelle nachgewiesen waren (vgl. Thraen, 1859,
S. 47), läßt sich dieser Verdacht freilich kaum begründen.
48 Vgl. Wortmann, 1973, S. 205, und Schwarz (s. Anm. 22), 1952, S. 289
und 312.
49 Wortmann, 1973, S. 205.
50 Dies entspricht der um 1450 in Ulm aufkommenden Tendenz zu
nurmehr partiell farbig gestaltenen Bildfenstern und dürfte folglich auch
hier den originalen Zustand wiedergeben (vgl. hierzu etwa die Zunftfen-
ster im Obergaden S. 221 ff., bzw. die verlorenen Fenster des Langchores
Anhang S. 254f.).
 
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