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MÜNSTER
gegenüber den Wandpfeilern deutlich verstärkten weiteren Mittelschiffpfeiler - in Voraussicht der gewaltigen Mehr*
Belastung durch die hohen Obergadenwände - als Indiz für jenen folgenschweren Planwechsel von der Halle zur
Basilika gewertet werden, der bis dato mit der Bauführung Ulrichs von Ensingen verbunden, tatsächlich aber schon
durch die Parier vorgenommen worden sein dürfte \
Keinerlei Zweifel bestehen darüber, daß der Langhausbau unter den Parlern (d.h. bis 1391/92) bis zum achten
westlichen Joch vorangekommen war, denn hier befindet sich die Zäsur in den Jochweiten, die erst durch die Turmpla-
nung Ulrichs von Ensingen verursacht wurde. Uneinigkeit herrscht freilich ebenso in der Trennung der Anteile der
beiden letzten Parier wie in der Frage, wie weit die betreffenden Teile bereits hochgeführt wurden.
Schultz hat sämtliche Mittelschiffkonsolen ein und demselben Trupp von »Laubmachern« zugewiesen, allen voran
dem »Reißnadelmeister«, der erst im Gefolge Heinrich Parlers (III.) aus Prag gekommen sei, und da die Konsolen
»avant la pose« gearbeitet wurden, seien auch alle acht Langhausjoche in der Zeit Heinrichs III. (1387—91) entstanden5 6.
Wortmann dagegen unterscheidet die Konsolen der östlichen vier Pfeilerpaare mit »gedrungenen und geschlossenen
Gesamtformen und schwerem kräftigen Blattwerk« von der »feineren Profilierung« und den »lebhaft bewegten Bil-
dungen von größerer Naturnähe« an den folgenden vier Pfeilerpaaren des Mittelschiffs und teilt den Baufortgang
entsprechend unter Michael und Heinrich auf7 *.
Was die Frage nach der Höhe der Umfassungsmauern betrifft, so haben schon Pfleiderer und nach ihm Wortmann
und Koepf hervorgehoben, daß die seit 1381 belegten Altarstiftungen der Familien Baltringer (?), Krafft (1381/91), des
Siechmeisters (1383), der Strölin (1383/88) und der Sulmetingen (1386) in den Osten des Langhauses voraussetzen, daß
die betreffenden Bauteile bereits so weit hochgeführt waren, um mit einem Notdach gedeckt zu werden^. Allerdings
war dieser Hinweis von Pfleiderer selbst wieder auf die beiden östlichen Langhausjoche (einschließlich der beiden
für den Zugang erforderlichen Portale) eingeschränkt worden, die nach Westen hin provisorisch abgeschlossen gewe-
sen seien9. Doch diese Beurteilung läßt sich ebensowenig nachweisen wie die viel weitergehende Überzeugung Wort-
manns, daß das Langhaus bereits zu Ende der parlerischen Bauphase in der Höhe der Umfassungsmauern, d.h. mit
geschlossenen Fensterscheiteln der Seitenschiffe, bis zum achten Joch fortgeschritten war1". Wenn aber Ulrich von
Ensingen nach seiner Bestallung am Ulmer Münsterbau (1392—1417) unverzüglich mit der Planung des gewaltigen
Westturms begonnen hatte — die Maßänderung im neunten und zehnten Langhausjoch gilt seit Armin Conradt
übereinstimmend als unmittelbare Folge der von Ensingen gewählten quadratischen Grundfläche des Turms11 —, dann
bleibt die Frage, welche Teile des Langhauses unter Ulrichs Leitung in immerhin dreizehn Jahren bis zur ersten Weihe
am 25. Juli 1405 denn noch aufgeführt wurden; am Turm war bis dahin noch nicht viel mehr als das Fundament gelegt
worden. Conradt hat die Vermutung geäußert, daß die Aufführung der Mittelschiffwände bis zur ersten Kapitellzone,
deren keilförmig zugespitzte oder mit buckligem Blattwerk versehene Formen »stilistisch eng zu den Kapitellen der
Mittelschiffpfeiler gehören« und an den für Ensingers Vertreter und Nachfolger Hans Kun gesicherten Bauteilen des
Westturmes nicht mehr begegnen, noch bis 1405 durch Ulrich von Ensingen vollzogen worden sein könnte12. Wenn
5 Vgl. Wortmann, Hallenplan, 1977, S. 109—m, und zusammenfassend
ders., ^1990, S. 8—11, mit dem Hinweis, daß auch der vornehmste Par-
ierbau, der Veitsdom in Prag, von Peter Parier als Basilika errichtet wur-
de, und Michael hatte bekanntlich zuvor dort mitgearbeitet. Koepf,
1990, S. 203—214, hat die Frage nach der ursprünglichen Langhauspla-
nung der Parier nochmals eingehend diskutiert, wobei nicht klar wird,
wann und wo der Wechsel zur Basilika erfolgt sein soll; der erneut auf-
gegriffene Gedanke an ein nachträgliches Einfügen von Pfeilerpaaren in
die von Anfang an doppelt so weit geplanten und bis zum achten Joch
auch ausgeführten Joche, ist angesichts der stilistischen Gruppierung der
Pfeilerkonsolen (Wortmann, Parlerkonsolen, 1970) nicht ernsthaft zu
vertreten und ehedem von Koepf, 1958, S. 14, selbst als kaum möglich
bezeichnet worden.
6 Schultz, 1954, S. 77h und 197-210.
7 Wortmann, Parlerkonsolen, 1970, besonders S. 297-310, und ders., in:
Kat. Ausst. Parier, 1978,1, S. 33of. Die umgekehrte Vermutung von Con-
radt, 1959, S. 50 f., erst Ulrich von Ensingen habe die (vielleicht schon
gefertigten) Kapitelle der Mittelschiffpfeiler versetzt, wird durch den
deutlich sichtbaren Knick der Profile auf halber Höhe des neunten Mit-
telschiffbogens — also beträchtlich oberhalb der Pfeilerkonsolen — wider-
legt, der den unvermittelten Planwechsel unter Leitung Ulrichs von En-
singen ab 1392 markiert (diese Beobachtung findet sich erstmals bei
Friederich, 1927, S. 31; wenig überzeugend ist dagegen der Einwurf
von Conradt, S. 48 f., der die betreffende Zäsur erst den umfangreichen
Sicherungsmaßnahmen durch Burkhard Engelberg zuschreiben will).
8 Pfleiderer, 1905, Sp. 7. Über Stiftungsdaten und Standorte der jewei-
ligen Altäre vgl. Tüchle, 1977, hier besonders Nr. 20—22, 45, 48 und 51.
9 Pfleiderer, 1905, Sp. 11; als Zeichen dafür wertet er eine an der
nördlichen Seitenschiffmauer zwischen dem zweiten und dritten Joch
verlaufende senkrechte Baunaht (Verzahnung).
10 Wortmann, Hallenplan, 1977, S. 107 f. und zusammenfassend S. 122—
125.
11 Conradt, 1959, S. 51-53.
12 Ebenda S. 56; auch Wortmann, 3i99o, S. 14, hat sich dieser Vorstel-
lung angeschlossen.
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gegenüber den Wandpfeilern deutlich verstärkten weiteren Mittelschiffpfeiler - in Voraussicht der gewaltigen Mehr*
Belastung durch die hohen Obergadenwände - als Indiz für jenen folgenschweren Planwechsel von der Halle zur
Basilika gewertet werden, der bis dato mit der Bauführung Ulrichs von Ensingen verbunden, tatsächlich aber schon
durch die Parier vorgenommen worden sein dürfte \
Keinerlei Zweifel bestehen darüber, daß der Langhausbau unter den Parlern (d.h. bis 1391/92) bis zum achten
westlichen Joch vorangekommen war, denn hier befindet sich die Zäsur in den Jochweiten, die erst durch die Turmpla-
nung Ulrichs von Ensingen verursacht wurde. Uneinigkeit herrscht freilich ebenso in der Trennung der Anteile der
beiden letzten Parier wie in der Frage, wie weit die betreffenden Teile bereits hochgeführt wurden.
Schultz hat sämtliche Mittelschiffkonsolen ein und demselben Trupp von »Laubmachern« zugewiesen, allen voran
dem »Reißnadelmeister«, der erst im Gefolge Heinrich Parlers (III.) aus Prag gekommen sei, und da die Konsolen
»avant la pose« gearbeitet wurden, seien auch alle acht Langhausjoche in der Zeit Heinrichs III. (1387—91) entstanden5 6.
Wortmann dagegen unterscheidet die Konsolen der östlichen vier Pfeilerpaare mit »gedrungenen und geschlossenen
Gesamtformen und schwerem kräftigen Blattwerk« von der »feineren Profilierung« und den »lebhaft bewegten Bil-
dungen von größerer Naturnähe« an den folgenden vier Pfeilerpaaren des Mittelschiffs und teilt den Baufortgang
entsprechend unter Michael und Heinrich auf7 *.
Was die Frage nach der Höhe der Umfassungsmauern betrifft, so haben schon Pfleiderer und nach ihm Wortmann
und Koepf hervorgehoben, daß die seit 1381 belegten Altarstiftungen der Familien Baltringer (?), Krafft (1381/91), des
Siechmeisters (1383), der Strölin (1383/88) und der Sulmetingen (1386) in den Osten des Langhauses voraussetzen, daß
die betreffenden Bauteile bereits so weit hochgeführt waren, um mit einem Notdach gedeckt zu werden^. Allerdings
war dieser Hinweis von Pfleiderer selbst wieder auf die beiden östlichen Langhausjoche (einschließlich der beiden
für den Zugang erforderlichen Portale) eingeschränkt worden, die nach Westen hin provisorisch abgeschlossen gewe-
sen seien9. Doch diese Beurteilung läßt sich ebensowenig nachweisen wie die viel weitergehende Überzeugung Wort-
manns, daß das Langhaus bereits zu Ende der parlerischen Bauphase in der Höhe der Umfassungsmauern, d.h. mit
geschlossenen Fensterscheiteln der Seitenschiffe, bis zum achten Joch fortgeschritten war1". Wenn aber Ulrich von
Ensingen nach seiner Bestallung am Ulmer Münsterbau (1392—1417) unverzüglich mit der Planung des gewaltigen
Westturms begonnen hatte — die Maßänderung im neunten und zehnten Langhausjoch gilt seit Armin Conradt
übereinstimmend als unmittelbare Folge der von Ensingen gewählten quadratischen Grundfläche des Turms11 —, dann
bleibt die Frage, welche Teile des Langhauses unter Ulrichs Leitung in immerhin dreizehn Jahren bis zur ersten Weihe
am 25. Juli 1405 denn noch aufgeführt wurden; am Turm war bis dahin noch nicht viel mehr als das Fundament gelegt
worden. Conradt hat die Vermutung geäußert, daß die Aufführung der Mittelschiffwände bis zur ersten Kapitellzone,
deren keilförmig zugespitzte oder mit buckligem Blattwerk versehene Formen »stilistisch eng zu den Kapitellen der
Mittelschiffpfeiler gehören« und an den für Ensingers Vertreter und Nachfolger Hans Kun gesicherten Bauteilen des
Westturmes nicht mehr begegnen, noch bis 1405 durch Ulrich von Ensingen vollzogen worden sein könnte12. Wenn
5 Vgl. Wortmann, Hallenplan, 1977, S. 109—m, und zusammenfassend
ders., ^1990, S. 8—11, mit dem Hinweis, daß auch der vornehmste Par-
ierbau, der Veitsdom in Prag, von Peter Parier als Basilika errichtet wur-
de, und Michael hatte bekanntlich zuvor dort mitgearbeitet. Koepf,
1990, S. 203—214, hat die Frage nach der ursprünglichen Langhauspla-
nung der Parier nochmals eingehend diskutiert, wobei nicht klar wird,
wann und wo der Wechsel zur Basilika erfolgt sein soll; der erneut auf-
gegriffene Gedanke an ein nachträgliches Einfügen von Pfeilerpaaren in
die von Anfang an doppelt so weit geplanten und bis zum achten Joch
auch ausgeführten Joche, ist angesichts der stilistischen Gruppierung der
Pfeilerkonsolen (Wortmann, Parlerkonsolen, 1970) nicht ernsthaft zu
vertreten und ehedem von Koepf, 1958, S. 14, selbst als kaum möglich
bezeichnet worden.
6 Schultz, 1954, S. 77h und 197-210.
7 Wortmann, Parlerkonsolen, 1970, besonders S. 297-310, und ders., in:
Kat. Ausst. Parier, 1978,1, S. 33of. Die umgekehrte Vermutung von Con-
radt, 1959, S. 50 f., erst Ulrich von Ensingen habe die (vielleicht schon
gefertigten) Kapitelle der Mittelschiffpfeiler versetzt, wird durch den
deutlich sichtbaren Knick der Profile auf halber Höhe des neunten Mit-
telschiffbogens — also beträchtlich oberhalb der Pfeilerkonsolen — wider-
legt, der den unvermittelten Planwechsel unter Leitung Ulrichs von En-
singen ab 1392 markiert (diese Beobachtung findet sich erstmals bei
Friederich, 1927, S. 31; wenig überzeugend ist dagegen der Einwurf
von Conradt, S. 48 f., der die betreffende Zäsur erst den umfangreichen
Sicherungsmaßnahmen durch Burkhard Engelberg zuschreiben will).
8 Pfleiderer, 1905, Sp. 7. Über Stiftungsdaten und Standorte der jewei-
ligen Altäre vgl. Tüchle, 1977, hier besonders Nr. 20—22, 45, 48 und 51.
9 Pfleiderer, 1905, Sp. 11; als Zeichen dafür wertet er eine an der
nördlichen Seitenschiffmauer zwischen dem zweiten und dritten Joch
verlaufende senkrechte Baunaht (Verzahnung).
10 Wortmann, Hallenplan, 1977, S. 107 f. und zusammenfassend S. 122—
125.
11 Conradt, 1959, S. 51-53.
12 Ebenda S. 56; auch Wortmann, 3i99o, S. 14, hat sich dieser Vorstel-
lung angeschlossen.