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Demmin, August
Handbuch der bildenden & gewerblichen Künste: geschichtliche, archäologische, biographische, chronologische, monogrammatische und technische Encyclopaedie der Baukunst, Bilderkunde, Bildhauerei, Buchbinderei, Buchdruckerei, Buchmalerei ... (Band 1): Encyclopädie der Schriften-, Bilder und Wappenkunde, Trachten, Geräthkunst, Gefässkunde, der bürgerlichen und kirchlichen Baukunst, Kriegsbaukunst und Schiffsbaukunst: mit über 1000 Abbildungen — Leipzig, [1877]

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https://doi.org/10.11588/diglit.23810#0309
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Mauern mit Thürmen, Pechnasen, Hürden etc. 301

Archäologen zu der Annahme verleitet hat, die hourds seien früher als
die mächecoulis vorgekommen. -— Ausser den Pechnasen ragten auch,
besonders an den Ecken der Mauern und Thürme, kleine, mit Fuss-
boden versehene, Eckthürmchen vor, welche den Schaarwächtern
das Uebersehen und Beschiessen des Mauerfusses gestatteten und
daher Schaarwachten hiessen, woraus das lateinische escargaita,
scaraguayta, und das französische echarguette, später echaugueite ent-
stand. Diese Thürmchen waren meist rund oder vieleckig, während
der eschief, lat. eschiffa oder eschisa, ein übrigens ihm ähnliches,
aber viereckiges, erkerartig vorgebautes Thürmchen war, das be-
sonders in der Nähe der Thore den Graben bestrich. Die Breteche,
auch bretesche, bretene etc. geschrieben (lat.: bretachia, brestachia, brisega
etc.; engl.: bretise, bartizan; it.: bretescd), war ursprünglich ein Bret-
dach (daher der Name), d. h. ein vorstehender Holzerker ohne allem
oder mit durchlöchertem Fussboden, also eine Pechnase; später
nannte man auch die hölzernen Schaarwachtthürmchen, sowie erker-
artig vorspringende Dachfenster, endlich auch steinerne derartige
Vorbauten so, besonders im Wohnhausbau der Frührenaissance,
wie denn schon im Mittelalter vielfach auch bürgerliche Wohnhäuser
mit solchen Vertheidigungsmitteln versehen waren.

Bastia, bastüe, bastida hiess ursprünglich (so in Urkunden von
1204) die Vermachung, Verpfählung, dann die Befestigung über-
haupt; in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hiessen bastide
die kleinen befestigten Städte, besonders in der Gascogne und im
Languedoc, die nur aus vier sich rechtwinkelig schneidenden Strassen
mit einem viereckigen Platz am Durchschneidungspunkt bestanden,
deren vollkommenstes Beispiel das 1286 gegründete Städtchen
Montpazier im Departement der Dordogne ist. Vom 14. Jahr-
hundert an hiessen bastille die hölzernen Belagerungsthürme; später
wendete man alle die angeführten Namen, besonders aber die Be-
nennung Bastille, auf vorgeschobene Befestigungen an, verwendete
sie also gleich unserer Vorburg, unserem Brückenkopf etc., und da
diese Festungstheile sehr häufig als Frohnveste dienten, so übertrug
sich der Name endlich auf diese Gefängnisse; die alte Bedeutung
aber lebte in dem Namen Bastei fort, welchen die seit Einführung
des Schiesspulvers aus den flankirenden Thürmen allmählich heraus-
gebildeten, vorspringenden Walitheile erhielten, von denen aus
man den nun bedeutend verlängerten Zwischenwall bestrich, für
den der Name courtine in Frankreich schon im Mittelalter vorkam").
Fälschlicher Weise nennen mehrere französische Schriftsteller
die eigentlich bastüle heissenden kleinen Brückenköpfe u. dergl.
barbacane; diese Benennung, lat.: barbachammi, barbicaniwi, bedeutet
vielmehr ebensowohl eine schmale, nach hinten stark erweiterte,
Schiessscharte, als einen durch die Mauer geführten Wasserablauf, und
wurde vielfach auch auf die mit solchen Schiessscharten versehenen
Zwingermauern übertragen, wodurch sich jene Verwechselung erklärt.

") Da ein gespaltener Pfahl Bohle heisst, so hiessen die aus solchen gebildeten
Verpfändungen „Bohlwerk"; daraus entstand „Bollwerk" und daraus das frz. „boule-
vard" für eine an Stelle eines früheren Bollwerks angelegte Strasse.
 
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