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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 11.1987

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Weber, Olaf: Eklektizismus und Formensprache
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https://doi.org/10.11588/diglit.31835#0047
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Olaf Weber

Eklektizismus und Formensprache
1. Historische Einordnung des Problems

Die große Einheitlichkeit der Kultur, wie sie uns für bedeutende
Kunstepochen selbstverständlich erschien und exemplarisch in der
antiken oder in der aztekischen Kunst ihren Ausdruck fand, scheint
heute unwiederbringlich verloren zu sein, und dieser Verlust wird
vielfach bedauert. Beschränken wir unseren Blick auf die gegen-
ständliche Welt, die uns umgibt, so erkennen wir, daß sie im Laufe
der letzten hundertfünfzig 3ahre ein immer heterogeneres, ja chao-
tisches Bild angenommen hat - trotz der vielen Wiederholungen,
die aber nur der direktere Ausdruck von Monotonie sind, während
die Langeweile, die von der verwirrenden Vielfalt ausgeht, erst
auf den zweiten Blick erkennbar ist. Die Dinge streben nicht nur
in ihrem Erscheinungsbild auseinander, auch ihre funktionale Potenz
entwickelt sich heterogen, die Weise ihrer Aneignung, ihre Struk-
turprinzipien, ihr stofflicher Aufbau usw. Aus gewissen objektiven
Tendenzen zum Pluralismus machen einige Theoretiker (die "Post-
modernisten") ein ästhetisches Programm: der "radikale Eklekti-
zismus" wird zum Gestaltungsideal erhoben./l/ Ich will in meinem
Beitrag diesen Neo-Eklektizismus kritisieren, d. h. ihn nach seinen
funktionalen Möglichkeiten hin befragen und Tendenzen möglicher
Alternativen aufzeigen.

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit soll uns die Entwicklungs-
geschichte unseres Problems aufzeigen. In den letzten Dahrhunder-
ten prägte das Gesicht unserer gegenständlichen Umwelt immer ein
Stil, wenn wir darunter das Gemeinsame in den ästhetischen Aus-
drucksweisen einer historisch konkreten Gesellschaft verstehen.
Romanik, Gotik oder Renaissance sind Namen für solche Stile, die
zwar durch die neuere Kunstwissenschaft gründlich verunsichert
wurden, indem die tatsächliche Vielfalt innerhalb des jeweiligen
Zeitausdruckes untersucht wurde, doch letztlich als übergreifende
kulturelle Phänomene anerkannt blieben./2/ Stile waren die großen
Klammern, unter denen die verschiedenen Arten ästhetischen Verhal-
tens einer Zeit und einer Region zusammengefaßt wurden.

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