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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 12.1988

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Werler, Karl-Heinz: Computergrafie: Grundzüge einer Computeranwendung in der freien Grafik
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https://doi.org/10.11588/diglit.31836#0164
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„Kunst", so vermeiden wir die falsche Vorstellung, der Computer „mache" die Kunst
selbst, er sei das Subjekt und nicht das Werkzeug in der Hand oder im Denkprozeß des
Menschen.

Wir ordnen damit auch das zweite Mißverständnis, die Furcht, „die Kunstroboter kom-
men" in das Reich der Spekulationen und für utopische Romane noch angängig ein.
Nicht zuletzt - und damit helfen wir uns selbst - nehmen wir von den Produkten, die der
Computer scheinbar automatisch anfertigt, die unberechtigte Erwartung, daß sich diese
Ergebnisse schließlich mit Werken alter oder neuer Meister der bildenden Kunst müßten
messen lassen! Genau diese Ausgangsposition wählen wir für unsere llntersuchungen
über Wege und Möglichkeiten der Anwendung des Computers als Werkzeug im Bereich
der bildenden Kunst. Zu einem erfolgversprechenden Vorgehen gelangen wir, wenn an
Stelle der Relation „Computer-Kunst" die neue Beziehung „Computer-bildliche Darstel-
lung" gesetzt wird. Wir bemühen uns folglich um die Untersuchung des Gebietes der Ver-
bildlichung unserer Phantasie, der bildlichen Darstellung von Resultaten unserer Denk-
und Empfindungsprozesse, der Wiedergabe unserer Wirklichkeits- und Phantasiewelten.
Die grundsätzliche Frage nach einer Entscheidung darüber, ob die dabei entstehenden Re-
sultate der Anwendung des Computers in der freien Grafik „Kunst" oder „Nichtkunst"
seien, stellen wir prinzipiell nicht. Das ist nicht notwendig. Denn wenn wir grundsätzlich
anerkennen, daß es hierbei um die Einordnung eines „Werkzeuges" in einen Produktions-
prozeß, in den Prozeß der bildenden Kunst geht, so erübrigt sich diese Frage, ob das Re-
sultat „Kunst" oder „Nichtkunst" sei, von selbst. Der Mensch produziert weiterhin in die-
sem Prozeß, zwar jetzt mit Hilfe dieses Mittels „Computer", eines Werkzeuges, welches
immer leistungsfähiger und auch „intelligenter" werden wird, letztendes jedoch immer
ein Werkzeug bleibt. Diese Frage nach „Kunst" oder „Nichtkunst" zu stellen, heißt, das
Werk eines Menschen danach zu beurteilen, ob es den festgelegten Kriterien genügt, sich
in der gesellschaftlichen Kommunikation bewährt. Andere technische Mittel und Techni-
ken (z. B. Fotografie) erregten zu ihrer Zeit die Gemüter gleichermaßen.

Der Schwerpunkt unseres Herangehens liegt darin, Computer und bildliche Darstellung
miteinander zu verbinden. Das anzustrebende Ziel ist die Integration des Computers in
diesen Prozeß der Verbildlichung von Vorstellungen aus unserer Gedankenwelt. Schlicht
und einfach formuliert geht es dabei um den Prozeß: „etwas aus dem Kopf heraus als Bild
zu Papier bringen!".

Eine bewußt gewollte und zielstrebig angesteuerte Integration des Computers in den Pro-
zeß der bildlichen Darstellung ist eine zweiseitige Angelegenheit. Es ist dies sowohl die
Anpassung des Computers (Hard- und Software) an die Eigenschaften und Gewohnheiten
des im Prozeß denkenden und handelnden Menschen, aber auch die Umstellung und die
Anpassung alter und eingefahrener Arbeitsweisen an die neuartigen und effektiven Tech-
nologien der Arbeit mit dem Computer. Das sind notwendige Voraussetzungen für ein
Wirksamwerden des Computers in diesem Prozeß.

Entscheidend ist hierbei aber das Erkennen, Erfassen und Aufbereiten des jeweiligen Pro-
zesses selbst, des Prozesses der bildkünstlerischen Gestaltung, der Verbildlichung von
Gedanken und Empfindungen, von Phantasie und Realität. Auf dieser notwendigen Ana-
lyse des Prozesses baut dann die zielgerichtete Integration des Computers in den Prozeß
auf. Die Einsatzvorbereitungen und erfolgreichen Anwendungen des Computers in ande-
ren Gebieten von Wissenschaft und Technik zeigen, daß eine nicht tiefgründig durch-
dachte, direkte Abbildung konventioneller, traditioneller, manueller Handlungen auf den
Computer nicht zum gewünschten Ziel führt. Das für einen Erfolg notwendige Aufbereiten
und Durchdenken des Prozesses erschließt gleichzeitig aber auch neue Wege, neue Stra-
tegien, führt zu neuen Ergebnissen und unerwarteten Resultaten. Damit wird dieses Vor-
gehen einer berechtigten Forderung gerecht:

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