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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 4.1887

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Roth, Rudolf: Die St. Martinskirche und Pfarrstelle in Leutkirch, [11]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20204#0025

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seinem ganzen Besitzstände dem Fürsten von Nassau-Oranien
als Entschädigung übergeben worden. Mit dieser Übergabe war
auch das Patronats- und alle hiemit verbundenen Rechte und
Einkünste der St. Martinskirche und Pfarrstelle in Leutkirch
an diesen Fürsten übergegangen. Allein das schöne Be-
sitztum des aufgehobenen Klosters und die Regentschaft dieses
Fürsten war nur von kurzer Dauer.
Das Kaiserhaus von Österreich' hatte, vermöge des Heim-
fallrechtes und als Inhaber der Landvogtei in Schwaben, aus
alle diejenigen Güter, welche in deren Landeshoheit lagen,
Beschlag belegt. Es wurde jedoch am 12. Juni 1804 ein
Vergleichsvertrag abgeschlossen. Aber auch Bayern, Baden
und Württemberg legten auf die in ihrer Landeshoheit gelege-
nen Güter Beschlag. Diese Beschlagnahmen wurden durch
einen Vergleich von 1808 wieder aufgehoben.
Der Fürst von Nassau-Oranien mochte eingesehen haben,
daß er diesen schönen herrschaftlichen Besitzstand nicht auf die
Länge halten konnte, und suchte deshalb dessen Revenüen und
Einkünfte zu veräußern. Diese Landesteile waren schon 1810
an die Krone Bayern und Württemberg übergegangen. Nach
einem Kaufbriefe überließ der Fürst von Nassau-Oranien dem
Freiherrn Franz Konrad zu Ratzeuried alle im vormaligen
Gebiete Ravensburg gelegenen weingartis.chen Lehenhöfe, das
Vogt- und Patronatsrecht der Psarrstelle in Leutkirch um die
Summe von 38 000 fl. Durch diesen Kauf waren die Zehnt-
und Patronatsrechte an den Baron zu Natzenried und, als
derselbe seine Herrschaft 1811 an seinen Vetter, den Grafen
von Beroldingen verkaufsweise abtrat, auch diese Rechte an den
letzteren übergegangen.
Der letzte, vom Kloster Weingarten eingestellte Pfarrer,
Dominikus Rittler, war laut Vertrag vom 8. Juni 1794 auf
die Rechte des vollen Bezugs der Zehnten und aller pfarrlichen
Einkünfte vom Abt und Konvent auf die ganze Lebensdauer
eingesetzt und bestätigt worden. — Der Wechsel des Besitztums
des Klosters konnte daher keinen Einfluß auf die persönlichen
Rechte des Pfarrers in Leutkirch ausüben und mußte man
demselben die pfarrlichen Einkünfte, so lange er lebte, un-
geschmälert belassen. — Als aber Stadtpfarrer Mittler am
2. Oktober 1832 starb, machte der Graf von Beroldingen
nach dem Konzessions-Instrumente vom 30. Mai 1752, wo-
nach das bischöfliche Ordinariat in Konstanz dem Kloster
Weingarten den Bezug des Zehntens und der Einkünfte einge-
räumt hatte, seinen vollen Gebrauch. Der Graf bezog jetzt
dieselben und bestimmte für den anzustellenden Pfarrer die
in diesem Schriftstücke vorgeschriebene fixe Besoldung von
1150 fl. und die dazu gehörige Naturalienabgabe.
Da in früherer Zeit der Staat, resp. der königliche katho-
lische Kirchenrat die Kapitelsdekane ernannte und dieselben
womöglich in die Oberamtsstädte setzte, so wurde schon im
Mai 1814 zwischen dieser Behörde und dem Grafen von
Beroldingen in derart ein Tausch getroffen, daß bei der näch-
sten Vakatur die Krone Württemberg das Besetzungsrecht über
die katholische Stadtpsarrstelle bleibend, dagegen der Graf von
Beroldingen als Entschädigung die Kaplanei benkne iVlariue
vir^inm et mntris ckolorosue in Leutkirch nebst der Kaplanei
3k. OeorZü in Ravensburg erhielt. Alle andern Rechte,
Pflichten und Lasten, die bisher aus dieser Stadtparrstelle
ruhten, verblieben indessen nach wie vorher dem Grafen Berol-
dingen.
Durch diese Übereinkunft ist die Pfarrkirche und Pfarr-
stelle in Leutkirch nach bereits 500 Jahren und nach so
mannigfachen wechselnden Verhältnissen wieder unter eilt könig-
liches^ Patronat gestellt worden.

Da nun dem Grasen von Beroldingen alle Rechte, Psliäst
ten und Lasten über die St. Martinspfarrstelle als Dezimal
verblieben sind, so wollen wir auch die sonstigen verschiedenen
Ereignisse, welche in dieser Zeit sich zutrugen, hier ansügen,
müssen aber hiebei auf einige frühere Rechte zurückgreifen.
Der Stadtmagistrat in Leutkirch hatte nach dem bekannten
Vertrage von 1562 das Recht der Verwaltung über die ^4'
Martinspflege in Leutkirch. Zugleich stand ihm nach einein
weiteren Vertrage von 1545, den der König Ferdinand 9^
nehmigt hatte, auch das Recht der Mitverwaltung der beide»
Filialkirchen zu St. Johann in Wuchzenhosen und St. Nift^
laus in Heggelbach zu. Bei jeder dieser Filialkirchen war >»»
Pfleger von der Stadt und einer vom Lande allgestellt. D4
Rechnungsablage mußte gemeinschaftlich von den Beamten des
Stadt und denjenigen des Landvogteiamtes nebst dem PsaN'O
zu St. Martin in Leutkirch als Vertreter des PatronatsherpH
geschehen. Diese gemeinschaftliche Verwaltung brachte im LaNll
der Zeit sehr viele Übelstände mit sich. Der von der Stad
bestellte Pfleger zog die von den Bürgern der Stadt, derjeMg
vom Lande die zum Gebiete des Landvogteiamtes gehörende»
Gefälle und Zinsen zu diesen Stiftungen ein. Die Ausgabe
wurden bald von diesem, bald von jenem bestritten. Bei dO
Rechnungsablage brachte ein jeder Pfleger seine aufgeschrieb^
nen Einnahmen und Ausgaben zur Vorlage, welche dann sst"
sammengestellt und hieraus das Remanet berechnet w»r^'
Zuletzt handelte jeder für sich, und der Grundsatz einer gerne«»
schastlichen Verwaltung war ein toter Buchstabe. Es entstai»
den nach und nach für jede Stiftung — Stadt- und La»^
anteil — zwei abgesonderte Rechnungen. Dieses Verhält«»
dauerte ea. 120 Jahre bis zu Anfang dieses Jahrhunderts
wo dann die Stistungsverwaltung aus Grund vorgefunde»^
Dokumente wieder in eine Rechnung formiert wurde. In ^
Kriegsjahren unter Napoleon I. waren die Rechnungsablastz
vor der gemeinschaftlichen Kommission ganz unterblieben »^
durch die Staatenveränderungen war der Übelstand ein »v^
viel größerer geworden. Die Stadt Leutkirch betrachtete ^
von ihr verwaltete!« Anteile dieser beiden Stiftungen als s,
Stadt angehörend. Die beiden Landorte waren, da ihnen
Dokumente fehlten, nicht hinlänglich genug mit der Sache Ns
traut, um ihre Rechte geltend machen zu können. Als ^
bayerische Regierung H 1808 eine eigene Stistungsadministrat«^
einführte, erhielt die Sache eine andere Gestalt. Die Verw»^
tung aller Stiftungen ging an den Staat über, und hiedN -
war der Streit über die fraglichen Stiftungen beseitigt. ^
Im Jahre 1810 war die Stadt Leutkirch und die
der ehemaligen Leutkircherhaide an Württemberg übergegaiE'^
Die Stiftungen wurden zuerst provisorisch durch eine Be»»Ö
nung vom 9. Juli 1811 wieder unmittelbar unter die 4 ,
ministration des Staates gestellt. Das königliche Obe»»*
setzte für die beiden Stiftungen von Heggelbach und Wuch^
Hosen eigene Pfleger vom Lande ein. -n
Am 18. Oktober 1818 war ein neues Verwaltungs-6'^
erschienen, welches den Gemeinden das Recht der Selbst»^,
waltnng ihres Vermögens einräumte und ist dasselbe d»^,
die darauffolgende Verfassung bestätigt worden. Der St»
Magistrat reklamierte das Eigentumsrecht der mit dem N»»^
„Städtischer Anteil" bezeichnten Teile von beiden Filialkirch^
Ein gleicher Streit entstand über das Verhältnis der ^


Durch den Frieden non Luneville vvm 9. Februar tbOl
Leutkirch als ein Enklave der Krone Bayern zugeteilt worden und
den Reichsdeputationsschlnß vom 25. Februar 1803 bestätigt
1806 kamen die Laudorte ebenfalls unter Bayern und 1810 beide §
sammen an die Krone Württemberg.
 
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