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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 4.1887

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Kirchenbaukunst in der württembergischen Residenz, [7]
DOI Artikel:
Roth, Rudolf: Die katholische Pfarrstelle zu St. Martin in Leutkirch, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20204#0072

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67

heiler des Chors sind ans ihren Vorsprüngen nnd auf der
einem einfachen Giebel bekrönten Spitze schmucklos. Nur
erste südliche, neben dem alten Turm (0) oorspringendc
^ auf seinem Obcrabsatz mit gruppierten, von Giebeln liber-
alen Halbfialen verziert. Ans denselben strebt noch ein
öderes pyramidales Türmchen empor, dessen Spitze
?obst Blume sich frei erhebt. Dieser Pfeiler schließt zwischen
Cckc des alten Turms ein noch älteres vierteiliges, in der
Mtte durch einen Maßwerkstreifen in zwei Hälften geteiltes,
Ä'hes Fenster ein, das trotz seines spätgotischen Maßwerkes
Bogen noch nach der Anlage des alten Chors ausgeführt
^ sein scheint. Erst in neuester Zeit sind auch die anderen
^ mit einer Kreuzblume bekrönt worden.
Die übrigen Chorfcnster sind dreiteilig nnd das Maß-
^k in ihren Spitzbogen gehört, wie sich ans den zwei noch
^Iprünglich erhaltenen beurteilen läßt, einem besseren Stil
als das der Schifssfenster. Das der anderen drei wurde
der Ausführung der Glasgcmälde durch anderes Maß-
^erk ersetzt. Zwischen dem verzierten Chorstrebepfeiler und
Iw folgenden glatten ist eine spitzbogige, glatte Nische in
Chorwand eingelassen, wohl ursprünglich eine Thüre, in
J)'eu Bogenfcld trefflich freistehend, aber leider teilweise ver-
chminclt als Bildwerk ausgestellt ist: Christus am Kreuze, zu
.Zden Seiten Maria und Johannes. Diese Skulpturen, die
von sämtlichen anderen der Kirche durch den freien Geist
Behandlung, durch eine gewisse Großheit des Stils und
IW Fluß der Gewänder unterscheiden, stammen noch aus der
.^Manischen Periode her, wie es sich aus der ganzen Auf-
^ßuug und Behandlung ergiebt, selbst wenn nicht die Nclies-
-wstellungcn von Tieren am Sockel der neben dem Kreuze
' senden Figuren weiterer Beleg dafür wären.
Der Chorabschluß der Sakristei (s. o.) mit seinen
sanken und eleganten, verzierten Strebern hat Fenster
^ noch die ursprüngliche Form zeigen, während die nörd-

lich

Yen samt der Thüre wohl während eines später unternomme-
Einbaues eine Umwandlung erlitten haben.
Die nördliche Wand des hierher projektierten, aber wäh-
?ud des Baues verlassenen und mit einem Giebeldache be-
Jckten Turmes zeigt im unteren Stock zwei horizontal bedeckte
Muster, darüber aber das schon oben erwähnte, 6t eilige
P)' achtsenste r. Auf seiner östlichen Seite steigt ein rundes
^P'inchen interessanter Doppeltreppe (T. IV, 3, §) zu
sicher Hohe mit ihm empor, ans seinem Zeltdach noch eine
'"euzblume tragend. Zn letzterer führt von der Sakristei (1^)
^ ein kleines Portal, von außen aber ein zierliches
^yürchen mit Kreuzstäben im Vogen.
Außerdem macht sich auf der Nord feite der Kirche
noch der nordwestliche Eingang, über den eine
"ose angebracht ist, bemerkbar.
. Die Fenstcr der Schiffe sind 4tcilig, mit Ausnahme
2 dreiteiligen ans der westlichen Fassade. Sie sind in
wen Spitzbogen mit spätgotischem Maßwerk auögefüllt.
Ein höchst einfaches Kranzgesims läuft um die Seiten-
Mfse (bezw. 4. u. 5. Schiff) und Chor, und ein sehr hohes
rd^tteldach, das dasjenige des Chors weit überragt, bedeckt
Etliche Schiffe der Kirche.
, Sämtliche Strebepfeiler der Schiffe erscheinen
außen als wenig hervortretendc, aus dem Grundriß der
^ ^hsäulcn konstruierte Halbpfeiler mit cirwr pyramidalen,
^ch Krabben und Kreuzblumen verzierten Spitze.
(Fortsetzung folgt.)

Die katholische Pfarrstelle zu St. Martin in
Leutkirch
VI.
mit ihren ehemaligen Einkünften, die Größe und
der Umfang der Pfarrei.
Mitgctcilt von Nnd. Noth, senior.
Die St. Martinskirche nnd Pfarrstelle in Leutkirch war
als eine freie kaiserliche Neichspsarrei ehemals auch durch ihre
Einkommensquellen wahrhaft königlich dotiert nnd auögestattet.
Die deutschen Kaiser hatten dieser unter ihrem Patronate
stehenden Kirche und Pfarrstelle eine Menge Zehnten, Gülten
und andere Einkünfte, sowohl von der Stadtmarkung als
auch von verschiedenen Landorten, wo nicht bereits schon Laien
oder auch andere Lehensherrschaften ihre Hand daraus gelegt
hatten, cingeränmt. Wir wollen daher alle dieser Pfarrstelle
ehemals zngehörenden Zehntrcchte und ihre weiteren Ein-
künfte der Reihe nach anssühren:
Die St. Martins-Pfarrstelle in ihren ehe-
malige n E i n k ü nfte n.
In der Stadtmarkung Leutkirch waren verschiedene Dezi-
matorett, welche Rechte zum Zehntbczug hatten. Im Jahre
1421 und 1422 wurde durch Verträge eiuc gemeinschaftliche
Vereinbarung getroffen, wornach die sämtlichen Zehnten aus
der Stadtmarkung znsammcngeworsen, in einer Scheune auf-
bewahrt nnd, nachdem die Früchte gedroschen und gereinigt
waren, in dem Verhältnisse der Rechte des Zehntbczugs von
den Dezimatoren wiederum verteilt wurden. Selbstverständ-
lich waren die Unkosten auch gemeinschaftlich nach dem Ver-
hältnisse zu tragen. Die katholische Pfarrstelle erhielt '/s des
Zehntbezuges; die übrigen Zehnten gingen nach und nach
an das Spital in Leutkirch über, so daß dasselbe in den Be-
sitz von 5/ü kam. Allein der sogenannte Noval- oder Neubruch-
Zehntcn gehörte nach dem kanonischen Rechte der Pfarrstelle
allein; ebenso gab es einige Acker- und Güter-Parzellen, welche
entweder ganz dem Spital oder der katholischen Pfarrstelle
angchörten. Diese letzteren, namentlich die Ncubruchzehnten,
hatten gar oft zu großen Streitigkeiten Anlaß gegeben. Es
wurde deshalb 1596 zwischen dem Bürgermeister und Rat der
Stadt Leutkirch als Vögte und Pfleger des Heilig-Geist-Spitalö
daselbst und dem Pfarrer a Thann im Namen der PatronatS-
und Lehensherrschaft nachstehender Vertrag abgeschlossen:
„1) Die sogenannten Niederfelder, zwischen Leutkirch und
Adrazhofen gelegen, welche 1560 ansgestockt und urbar ge-
macht worden waren, sollen links an der Straße gegen den
Stadtweiher, die Moos- und Riedlesmühle, bis an die Adratz-
hofer Markung dem Spital allein, dagegen diejenigen rechts
an der Straße gegen den sog. Naßelesberg und der Stadt-
waldung, der katholischen Stadtpsarrstelle allein zehntberechtigt
angehören. 2) Der Zehnten im Kothlach, gegen den Baltraz-
hofer- und Wielazhofer-Weg ist ebenfalls der katholischen
Pfarrstelle allein zehntbar. 3) Von dem Zehnten in Nör-
nang gehört von zwei Janchartcn bei dem Ziegelstadel der
Pfarrstelle und von den übrigen Ackerstücken daselbst dem
Spitalc; letzteres hat aber an die Pfarrstelle jährlich 3 Mal-
ter Frucht, und im Falle die Äcker brach liegen, 1 Scheffel
nnd 4 Viertel Haber als Zehnten abzugeben. Das aus-
schließliche Zehntrecht allein hat die Psarrstelle auf der ehe-
maligen freien Haide, wo einst die öffentlichen Versammlungen
und das Landgericht abgehalten wurden. Ebenso aus dem
Haiden-Rain, wo das Hochgericht oder der Galgen stand, vom
Tautenhoser Weg bis zum Zollhause."
 
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