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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 2.1851

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https://doi.org/10.11588/diglit.1195#0120
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106

sondern als ein von geistigem Alhem Durchdrungenes und da-
her, je nach der'Aufgabe, sich immer und immer wieder neu
Erzeugendes. Das ist der Sinn der ästhetischen oder kunst-
geschichtlichen Schule des Architekten, die ihn nicht dahin
führen soll, Dagewesenes in seiner mehr oder weniger bedingten
nnd zugleich mehr oder weniger ausschliesslichen Gültigkeil
noch einmal zu machen oder dasselbe so oder so durcheinander
zu mengen, — die ihm vielmehr überhaupt das Verständniss
der architektonisch künstlerischen Form geben und ihn befä-
higen soll, Herr dieser Form zu werden. Zu solcher Schule
und zu solchem Studium gehört freilich mehr, als in der Regel
vorausgesetzt wird.

......Es wird hiernach — da wir das Gewicht des ersten der

drei von uns aufgestellten Ausgangspunkte selbst erheblich in
Frage stellen mussten, — einfach auf diejenigen Bedingungen
ankommen, die eben von selbst jedem Auge entgegentreten:
auf ein gründliches technisches Wissen und auf eine gründliche
ästhetische Durchbildung, und zwar auf eine solche, die eine
wirklich absolvirte Schule hinter sich hat. Beides werden die
betreffenden Unterrichtsanstalten gewähren und damit ihre Auf-
gabe als erfüllt betrachten können. Dann wird es sich, nicht
minder einfach, darum handeln, dass die Architekten mit un-
befangener Naivetät und obne etwa ein Wettjagen nach dem
Unerhörten anzustellen, die jedesmalige Aufgabe ihren beson-
deren Bedingnissen gemäss durchzubilden suchen; das Ange-
messene und auch dem Geiste der Zeit nicht Widersprechende
wird dann von selbst entstehen. Fügt es aber die Gunst des
Himmels, — was freilich kein Concurrenz - Ausschreiben und
keine höchste Erden-Instanz schaffen kann, — dass auch ein
Genie unter ihnen ist, so wird dieses alsdann, aus eigner noch
höherer Machtvollkommenheit, die von der Zeit gegebenen Be-
dingnisse in derjenigen künstlerisch lebenvollen Form zu ge-
stalten wissen, welche dem ersehnten Neuen sein Dasein giebt,
Mitlebenden und Nachfolgern zur Marke, danach sie ihr Steuer
zu richten haben.

Diese und ähnliche Gedanken hatten wir bei der Durch-
lesung zweier Aktenstücke, welche die Münchner Akademie der
Künste hat ausgehen lassen und die uns von einem Architekten
mitgetheilt wurden. Sie sind zu wichtig, als dass wir sie unsern
Lesern vorenthalten dürften. Das erste ist eine gedruckte

„ Einladung zu einer Preisbewerbung, die Anfertigung

eines Bauplans zu einer höheren Bilduugs- und

Unterrichts-Anstalt betreffend.

Vorbemerkung.

In keinem Gebiete der bildenden Kunst hat sich das Streben
nach einer neuen* natur- und zeitgemässen, volks- und orts-
eigenthümlichen Entwicklung seither auf eine so entschiedene
und augenfällige Weise geltend zu machen gesucht, als in dem
der Baukunst. Doch sind die Richtungen und ~Wege, auf wel-
chem unsere Architecten dabei zum Ziele zu gelangen hoffen,
sehr verschieden, und während die Einen das Heil ihrer Kunst
von dem unbedingten Anschluss an die klassischen Bauformen
der Griechen und Römer, von dem heitern und schmuckreichen
Facaden-Styl der Renaissance, ja von der barocken Schwer-
fälligkeit des Rococco erwarten, Andere dagegen die reine Wie-
deraufnahme des romanischen oder gothischen Baustyls als ein-
zige Bedingung einer nationalen Wiedergeburt für unsere Ar-
chitectur fordern, sehen whvnoch Andere bemüht, mittelst einer
Verschmelzung der Elemente und Eigentümlichkeiten dieser
verschiedenen Stylgattungen eine neue, bis dahin noch nicht
dagewesene Bauart zu begründen.

Ob Letzteres überhaupt möglich, ob das in unserer Zeit

liegende, nach einer organisch vollendeten Gestaltung aller Le-
bensverhältnisse und Lebenskräfte im nationalen Sinne ringende
Element auch der Baukunst zugut kommen wird, darüber kann
allerdings nur die Erfahrung späterer Zeiten entscheiden.

Um aber den lebenden Architecten neuen Anlass und Ge-
legenheit zu bieten, bei diesem Ringen der Gegenwart nach
einer nationalen Neugestaltung der Architectur, ihren Neigungen
und Kräften gemäss, sich zu betheiligen, wird, mit Ermächti-
gung Seiner Majestät des regierenden Königs Maximilian von
Bayern, eine freie Preis-Bewerbung zur Anfertigung eines Bau-
planes für eine höhere Bildungs- und Unterrichtsanstalt nach
dem beifolgenden Programme und den weiter dort angegebenen
Bestimmungen hiermit eröffnet.

' Man geht dabei von der Ueberzeugung aus, dass der frag-
liche Zweck nur im unmittelbaren Anschluss an eine bestimmte
practische Aufgabe von entsprechender Würdigkeit und Grösse
sich werde erreichen lassen, indem die Herstellung eines Bau-
werkes, in dessen gesammter Erscheinung der Character der
Zeit so recht unverkennbar seinen verständlichen Ausdruck fände,
in welchem die Ideen nnd Bestrebungen der Gegenwart sich
verkörpert sähen und bei dem zugleich die seitherigen Erfah-
rungen der Architectur, die nach allen Seiten hin ausgreifenden,
staunenswerten Fortschritte der Technik, die gesammte Er-
rungenschaft der Vergangenheit an construetiven und ornamen-
talen Vorbildern, das ausserordentlich erweiterte Feld des Ma-
terials in unbeschränkter Freiheit und sowohl dem Zwecke wie
dem Charakter des Gebäudes selbst angemessen und mit dem
möglichsten Haushalte in den Mitteln benützt wäre, unstreitig
von den wirksamsten Folgen auch für die entferntere Zukunft
der Baukunst sein müsste. Ist der Architect von dem vollen
Inhalt seiner Aufgabe, von der Idee des Bauwerks, das er'ZU
schaffen hat, und dessen Zweckbestimmung ganz erfüllt und
durchdrungen, und versteht er es, die technischen Grundbe-
dingungen alles architectonischen Schaffens, nämlich den von
dem Baubedürfhiss abhängigen und die gesammte Raumanlage
bestimmenden Grundplan und die von der Oertlichkeit, dem
Klima und Baumaterial bedingte, auf die Gesammt-GIiederung
und die ornamentale Einzelgestaltung des Bauwerkes rückwir-
kende Konstruktion, mit den höheren Anforderungen jener Ideen
in lebendigen Einklang zu bringen, weiss er den Charakter
praktischer Zweckmässigkeit und heiterer Behaglichkeit mit dem
der Einfachheit und Schönheit zu verbinden; so kann es nicht
fehlen, dass das Gebäude ein in sich vollendetes, ausdrucksvolles
und schönes Ganze in dem angedeuteten Sinne bilden werde.

Wenn nun aber auch den coneurrirenden Künstlern kei-
nerlei Zwang aufzuerlegen ist, und es namentlich wünschens-
werth erscheint, dass sie sich in voller Freiheit der
verschiedenen Baustyle und ihrer Ornamentik zur
zweckmässigen Lösung der vorliegenden Aufgabe
bedienen, damit die zu erwählende Bauart keinem der be-
kannten Baustyle ausschliesslich und speziell ange-
höre, so soll doch auch nicht verschwiegen bleiben, da es
sich hier um die Herstellung eines Gebäudes in Deutschland
und im deutschen Sinne und Interesse handelt, dass es vielleicht
zweckdienlich erscheinen dürfte, bei dem Entwurf dazu das
Formenprinzip' der altdeutschen, sogenannten gothischen Archi-
tectur, und beim Ornament die Anwendung deutscher Thier- und
Pflanzenformen, wo möglich, nicht ganz aus den Augen zu lassen.

Ueberdiess glaubt-man bemerken zu müssen: dass in den
Bereich dieses Bauwerkes auch die Schwesterkünste der Malerei
und Bildhauerei in grösserer Ausdehnung zugezogen werden
sollen, um mit ihrer Hülfe ein nach allen seinen Theilen be-
deutsames, für die Gegenwart charakteristisch-schönes Denk-
mal der Kunst und Bildung ins Leben zu rufen, bei welchem,
 
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