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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0081
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daß er die überaus schonen Formen, welche der Meister mit kundi-
ger Hand und nur andeutend in jener wunderbar leichten und das
feinste Verständniß herausfordernden Weise hingeworfen, die den
Kaulbach'schen Kartons eigen ist,. mit vollem Bewußtsein wiederzu-
geben vermöge. Dies ist ihm vollkommen gelungen; das Auge folgt
mit jener seligen Befriedigung, die aus der Betrachtung plastischer
Werke in die Seele sich zu gießen pflegt, diesen untadligen Formen,
dem harmonischen Spiel der Muskelbewegung, die jedem Punkt, je-
dem Strich deS Grabstichels die allein mögliche Richtung vorgezeich-
net hat. Wie vorzüglich fein, um nur Eins hervorzuheben, ist das
rechte Bein des Knaben, welches, durch das andre beschattet, auf
dem Hintergründe des Halbdunkels, das auf ihm liegt, alle die zar-
ten Uebergänge der Muskeln in unübertrefflicher Wahrheit erkennen
läßt! Auch die beiden reizend komponirten Kandelaber, die auf bei-
den Seiten gleich einem Rahmen das Bild einschließen, sind in der
flüchtig skizzirten Weise ihrer Darstellungen mit großem Geschick zur
Erscheinung gebracht, ohne an graciöser Leichtigkeit etwas einzubüßen.
Die Wirkung des ganzen Blattes hat indeß noch einen entschiedenen
Anflug malerischen Elementes, das namentlich in den feinen Ab-
tönungen der Schatten des Fleisches, wo sie mit denen des Gewan-
des sich berühren, uns entgegentritt. Man erkennt den Kupferstecher,
der eben von der gewohnten Nachahmung von Werken der Malerei
kommt und aus der ihm geläufigen Technik in die Darstellung eines
bloßen Kartons Etwas von dem der Farbe eigenthümlichen Zauber
einmischt.

Auf einer selbständigeren Bahn zeigt er sich auf dem anderen
Stiche, der die „Sage" darstellt. Den Liebhabern malerischer Stiche
und anmuthig weicher Behandlung-wird jenes erste Blatt vielleicht
lieber sein: uns aber erscheint dieses, so schön und anerkennenswerth
auch das erftere ist, als ein bemerkbarer Fortschritt gegen dasselbe.
Es ist noch ganz dieselbe liebevolle Hingebung an das Original,
dieselbe Tüchtigkeit der Auffassung, die uns dort so wohlgefiel, .aber
diese Liebe hat ihre jugendliche Schüchternheit überwunden und ist
sich ihres Ziels und des Weges zum Ziele klar und freudig bewußt
geworden. Darauf deutet die energische Strichführung, die sichere
Art, mit der eine breitere, derbere Behandlung sich geltend macht.
Das Blatt hat dadurch eine Großartigkeit, eine herbe Strenge ge-
wonnen, die ebenso glücklich mit dem Gegenstand der Darstellung
zusammentrifft, wie auf dem ersteren die weichere Behandlungsweise
mit dem mehr anmuthigen Charakter ihres Gegenstandes. Ist es
doch hier die wundersam ergreifende Gestalt -der „Sage", die im
ganzen Gepräge ihrer Erscheinung, besonders in dem scharf markir-
ten Gesicht, unwidersprechlich beit Geist nordischer Vorzeit kund thut.

Auf einem jener Hünendenkmäler grauen Alterthums sitzt sie,
zu ihren Füßen zerborstene Aschenkrüge, morsche Gebeine, zertrüm-
merte Kronen und Schwerter der Helden. Prophetisch ist die Hand
erhoben, und während Odins kluge Raben ihr Haupt Kunde brin-
gend umkreisen, tritt das Auge vorstarrend aus seiner Höhle heraus,
als strebe es, sich vergrößernd, die übergewaltigen Gegenstände seines
Schauens ganz zu erfassen. Dieser Gesichtsausdruck, der in Kaul-
bach's Karton so machtvoll sich ausspricht, in dem danach ausge-
geführten Gemälde jedoch abgeschwächt erscheint, bricht hier in
ungemindertem Vollgehalt hervor. Jede Linie fügt sich diesem
Grundcharakter der Komposition, alles überflüssig feine Nüanciren
und Abtönen ist streng vermieden, dem großartigen Styl der Dar-
stellung sein volles Recht widerfahren. Schade nur, daß die linke
erhobene Hand in der Verkürzung wirklich zu kurz -gekommen ist, so
daß sie in keinem Verhältniß zu der Mächtigkeit der übrigen Formen
steht, ein Zeichenfehler, der bei einem Meister wie Kaulbach doppelt
auffällt.

Auch hier wird die Gestalt auf beiden Seiten von zwei Kan-
delabern eingeschloffen. Zwei der reizendsten deutschen Sagen, vom

Dornröslein und vom kühnen Siegfried, bilden die künstlerische Ver-
zierung des Schaftes. Doch ist die Komposition derselben minder
glücklich als die jener beiden andern Kandelaber. Dort bestehen die
den Schaft umgebenden Gruppen stets aus drei Figürchen, hier nur .
aus zweien. Dadurch erhielten jene eine vollere plastische Wirkung,
die hier fehlt und zugleich das Gesammtprofil zerrissen und unruhig
erscheinen läßt. Der Stecher hat durch Anwendung von Schatten-
lagen sein Möglichstes gethan, größere Harmonie hineinzubringen,
ist dabei aber hin und wieder in der Zeichnung minder sorgfältig
verfahren, als bei jenen andern Kandelabern.

Wir halten es für unmöglich, daß das Wesen Kaulbach'scher
Schöpfung treuer wiedergegeben werde, als es in diesen Blättern
geschehen ist. Der Stecher läßt sowohl in Hinsicht auf das zarteste
Verständniß der Form, als auch auf Erfassen deS geistigen Gehaltes
und-des dadurch bedingten Ausdruckes Nichts zu wünschen. Ohne
Zweifel kam der Umstand zu Statten, daß eine junge Hand, die
noch nicht in einer zur Manier gewordenen Technik erstarrt war,
ein junges. Auge, das jedem schönen oder charakteristischen Gebilde
naiv, ohne Befangenheit sich öffnet, und ein junger Geist, der in
liebenswürdiger Begeisterung dem Zauber der Kaulbach'schen For-
menwelt sich hingiebt, hier an's Werk ging. Und das. ist es am
Ende, was dem Gebilde menschlicher Schöpferkraft in unsrer Empfin-
dung einen bleibenden Platz sichert: die treue Hingabe, die liebe-
volle Sorgfalt, die aus jedem Striche zu uns spricht, die uns um
so inniger fesselt, je breiteren Boden in unsrer Zeit das kokette
Prunken äußerlichen Virtuosenthumes gewinnt. W. Lübke.

Demcrkungcn über cine Anzahl von Ecinäldkir,

welche seit den letzten acht Jahren für die Dildersammlvng des Königlichen

Museums zu Jerliu erworben worden sind.

Von G. F. Waagen.

(Schluß.)

Bilder auö der niederrheinischen Schule.

Von dem Künstler, welcher bisher nur als Kupferstecher unter
dem Namen des Meisters von 1466 bekannt gewesen. (Nr. 547A.)
Die in blauen Mantel und Nock gekleidete Maria unterstützt mit
der Rechten das auf ihrem Schooße sitzende Kind. Mit der Linken
hält sie ein Buch, worin das Kind ebenfalls mit der Linken blättert,
während es in der Rechten eine Birite hat. Der goldne Grund ist
braun getippelt. (Auf Holz, 1 F. \ 3- h., 8| Z. br.) Die Cha-
raktere von Mutter und Kind stimmen durchaus mit den Stichen
jenes Meisters überein. Dasselbe gilt auch bis auf einen gewissen
Grad von den Formen. Nur ist die Zeichnung hier um Vieles
besser. Namentlich ist der Unterschied zwischen den naturwahren und
in der Form völligen Händen der Maria und den manierirten und

i

mageren in den Kupferstichen so groß, daß inan ihn schwerlich allein
aus der bequemen Technik des Pinsels, und der so ungleich schwie-
rigeren des Grabstichels, sondern wohl eher durch die Annahme, daß
das Bild einer späteren und reiferen Zeit des Meisters als die
Stiche angehört, erklären kann. Jedenfalls ist aber der Urheber die-
ses, nicht wie Passavant äußert, in München, sondern in Bonn von
Hrn. Baruch erworbenen Bildes, ein dem Meister E. S. gleichzeiti-
ger und engverwandter Meister. Die Modellirung ist sehr sorgfältig,
der Fleischton kühl röthlich. Ich ergreife diese Gelegenheit, um meine
Ansicht über die Schule zu erörtern, welcher dieser treffliche Kupfer-
stecher angehören möchte. Da sehe ich mich nun nicht im Stande,
der Ansicht von Passavant beizupflichten, daß derselbe der oberdeut-
schen Schule beizuzählen sei, sondern halte ihn vielmehr mit Be-
 
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