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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0331
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317

Soll aber auch sie noch plastische Rundung bewahren, müssen
ihre Individuen von jeder Privatverkehrtheit gereinigt und voll nur
der allgemeinen Thorheit sein, welche die wichtigsten Lebenskreise er-
griffen hat. Dann geberden sie sich und handeln als ideal leben-
dige Darsteller dieser Thorheit. Und wenn schon die freie Schön-
heit der Hoheit entsagt, ist es die Komik gerade, die sich mit allen
Grazien schmückt.

Dennoch löst sie das Ideal ohne Schonung, wenn gleich wi-
der Willen, aus. Sie faßt die Seiten, deren unmittelbare Eini-
gung zum Ideal wie zur Plastik gehört, als Spitze des Wider-
spruchs. Daß sie dies selbst noch plastisch und ideal vollbringt,
ist ein neuer Widerspruch, an dem sie selber zu Grunde geht.

Was bleibt dann als Ersatz noch übrig? .Eine kahle Weisheit
und ihr gegenüber nichts als häßliche Schlechtigkeit, die zu dem.
bitteren Ausruf reizt: clifficile est satiram non Zoribero! Scherz,
Spott und scheltender Eifer besiegen dies Häßliche nicht. Je schär--'
ser die Geißel, desto merklicher die Stärke gemeiner Gräuel. Ver-
gebens steht noch das Ideal mit plastischen Göttern: und Helden
vor Augen. Selbst die skeptische Laune erheitert sich nur und
dünkt sich am klügsten, wenn sie die Schwächen auch dieser Gestalten
lucianisch aufdeckt.

(Fortsetzung folgt.) ;v

Die erste allgemeine deutsche Gemälde-Ausstellung in München.

i. ^

In der Meinung, daß es Einein und dein Andern wenigstens
in der Zukunft von Interesse sein dürfte, ein örtliches Bild der Auf-
stellung der ersten allgemeinen deutschen Gemälde - Ausstellung zu
haben/habe ich den Plan des Ausstellungsgebäudes mit der Ein-
theilung feiner Räume in allgemeinsten Liiieaineiiten oben aiigegeben.
Ich bitte den Leser, mir von Zimmer zu Zimmer, von Wand zu
Wand zu folgen und mir zu erlauben, bei einzelnen Gemälden (na-
türlich nicht bei allen) meine Bemerkungen mittheilen zu dürfen.
Jst's auch vielleicht etwas mühsam, von Historie zu Genre, von
Bildniß zu Landschaft überzuspringen, so hat man dafür den Vor-
theil, das Generalisiren vermeidend, sich dem einzelnen Gegenstand
mehr hingeben zu können, nicht gerechnet, daß inan vom Leser un-
bemerkt zum Beschauer wird, der ja nicht wohl anders kann, als
dein bunten Durch- und Nebeneinander geduldig folgen.

Saal !. Wand a enthält: Die Grablegung von Hofmann,
ein Rudel Wildschweine von Deicker, zwei männliche Bildnisse von
Bernhardt, zwei Porzellangemälde von Lau und Wnstlich, ein
Genrebild von Menz, Christus am Oelberge von Blaas, zwei
Bildnisse von Gräsle, ein Viehstück von Eberle und zwei kleine
Kriegsscenen von Pettenkosen.

Als ich das erste Mal die Ausstellung besuchte und sah, daß
ich unterhalb eines Rudels Wildschweine eingetreten war aus den
Ehrenkampfplatz der deutschen Malerei unserer Tage, da — ich ge-
stehe es — konnte ich mich des Lachens nicht erwehren und selber
die Hülfe, welche diese nützlichen Thiere durch ihre Borsten den
Künstlern leisten, womit einst Giotto sich über die von ihnen erfah-
rene Unbilde tröstete, schien mir nicht ausreichend zur Berechtigung
ftir den gleichsam zur Titelvignette erlesenen Platz über dem Ein-
gang in den ersten Saal. Bei längerer oder wiederkehrender Be-

trachtung verschwinden die Nebengedanken und man sieht das Bild
allein, eine mit großer Meisterschaft ausgeführte Arbeit. Ohne Zwei-
fel hat Deicker (aus Braunfels bei Wetzlar) viel Gelegenheit ge-
habt, das borstige Wild in allen Lagen und Zuständen zu stndiren,
denn er führt es uns in Lebensgröße und in der überraschendsten
Lebenstrene vor. Ein Rudel Wildschweine drängt sich durch eine
Art Hohle oder Graben nach einer schmutzigen Lache; eines von
ihnen schiebt sich schon, den Kops voran, mit Wohlbehagen in den
Schlamm hinein, ein anderes hebt witternd den Kopf, jedes scheint
nach Erquickung zu grunzen. Unvergleichlich wahr ist der dumm-
wilde Ausdruck, und ebenso die Zeichnung, die Bewegung, sowohl
im Einzelnen (wie bei dem Schwein, das sich mit zusammengezoge-
nem Rücken und eingestemmten Hinterbeinen in den Koth schiebt),
als in dem Aneinanderdrängen und Reiben; die Farbe und die Nässe,
so daß die Schnauze von Feuchtigkeit glänzt und das Wasser von
der borstigen Haut herabträuft.

Links daneben hängt die Grablegung Christi von I. H. Hof-
mann aus Darmstadt, ein Bild, das viel Schönes hat und nur
wegen einiger leicht zu verbessernder, aber den Eindruck störender
Stellen nicht ganz allgemein anspricht. Johannes hält den Ober-
körper des halb liegenden Leichnams von der Rückenseite, Maria ge-
genüber die rechte Hand; in Mitgefühl legt ihr Magdalena die
Rechte auf die Schulter und streicht sanft mit der Linken über die
eigene Wange, als wollte sie den Schmerz wegwischen; Nicodemus
neben ihr hält das Ende des Leintuchs. Tie Motive sind alle rein
empfunden', und wirken darum wie neu; wir werden in die Hand-
lung mit unserm Gefühl gezogen, nicht nur mit den Sinnen und
dem Verstand. Die Allordnung ist ungezwungen und schön, und
würde völlig abgerundet sein, wenn nicht gerade in der Mitte des
Bildes, zwischen Johannes und Nicodemus eine Lücke wäre, die den
Zusammenhang unterbricht, in der aber eine Figur sehr leicht ein-
 
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