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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0404
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388

Natur vorbereitet und! geübt.wird. Jene, MusI einem gedrängten
Zusammenleben der Künstler-inGAlb AMstteinen Stadtbezirkes
beruhend, haben dann auch in Heu kMlerischenBeziehungen mehr
ein gegenseitiges Anfnehuren derselben zur Folge,' als dies z. B. bei
dem getrennten Künstlerleben einer Stadt wie Berlin statt finden
kann; außerdem aber bleibt die Lehre, als Fundament für die allge-
meine Kunstrichtung immerhin auch hierbei das eigentlich Entschei-
dende.

Joh. Wilh. Schirmer, Professor in Düsseldorf, den wir
als den eigentlichen Begründer der düsseldorfer Landschaftsmalerei
betrachten müssen, von dem indeß gegenwärtig kein Bild die Aus-
stellung ziert, hatte sich, reich begabt mit einem seinen Sinn für das
künstlerisch Schöne, an der Natur, als seiner gründlichsten Lehrerin,
zum Meister herangebildet. Ein unausgesetztes Studium der man-
nigfaltigsten Naturerscheinungen, ein rastloses Bemühen diese in ihrer
Gegenständlichkeit zu erfassen, verbunden mit einer Achtung vor den
Werken der Schöpfung, wie solche jetzt nur noch selten gefun-
den werden dürfte, hatten ihm endlich diejenige Sicherheit und innere
Kraft des selbständigen Schaffens gegeben, die fast allen seinen Lei-
stungen den Stempel einer tieferen Vollendung aufdrückt. Das
Studium der Natur wurde auch das Fundament, auf dem er seine
Lehre gründete; weniger das der Technik. Ihre Ausbildung über-
ließ er mehr der individuellen Anschauungsweise seiner Schüler. —
„Im Sommer vor der Natur, im Winter vor der Staffelei", dies
könnte der Wahlsprnch derjenigen Schule sein, die Schirmer in
Düsseldorf begründete.

Diese, allen düsseldorfer Landschaftsmalern gleichsam von Kin-
desbeinen an eingepflanzte Achtung und unausgesetzte Uebung vor
der Natur ist es denn auch vornämlich was ihre Leistungen so ein-
heitlich durchdringt und sie, so vielen nicht düsseldorfer Bildern ge-
genüber, nicht nur als verständige, vielmehr noch als wirklich em-
pfundene Werke wirken läßt.

Wie es der sachgemäße Gang einer Schule mit sich bringt,
daß aus den begabteren Schülern derselben allmälig Meister er-
wachsen, so entwickelten sich denn auch unter der sorgfältigen Leitung
Schirmers, ausgezeichnete Talente zu überraschender Meisterschaft.
An der Natur und den trefflichen Vorbildern ihres Lehrers heran-
gebildet, strebten diese indeß nunmehr selbständig darnach, die na-
türlichen Erscheinungen mit ihrer eigenen, individuellen Auffassungs-
weise in Einklang zu bringen und so zu sagen, auf ihre Weise die
Natur darzustelleu. Hieraus entwickelte sich eine von der Schir-
mer'schen Richtung abweichende, die wir, doch nur im Gegensatz zu
dieser, auch hier als den Beginn einer düsseldorfisch-naturalistischen
bezeichnen können. Hatte nämlich die Schirmer'sche Auffassuugs-
uud Behandlungsweise wesentlich das höhere Kunstziel der Land-
schaftsmalerei, die Gegenständlichkeit der Natur nur als Mittel zur
Versinnlichung des wahrhaft Schönen und Erhabenen zu verwenden,
im Auge, so ging deren Streben fortan wesentlich nach einer blo-
ßen Naturnachahmung, wobei sie die Natürlichkeit der Darstel-
lung zum Kunstzwecke erhoben. Beide Richtungen bildeten sich neben-
einander aus, indem jede ihre besonderen Anhänger fand. In ihnen
beruht dann auch gleichzeitig ein entschiedeneres Auseinandergehcn
der eigentlich technischen Behandlungsweise, der Düsseldorfer; denn,
während die Anhänger jener Richtung sich vorzugsweise daraus be-
schränkten, durch den Eindruck einer Totalität— durch Stimmung —
bie Phantasie des Beschauers mehr für das tiefere, poetische Ele-
ment der Landschaft zu erschließen, und somit diesem die Natürlich-
keit des Einzelnen unterordneten, strebten die Anhänger dieser Rich-
tung hauptsächlich darnach, durch eine der Natur des Einzelgegenstandes
entsprechende, ihn in seiner speciellen Wesenheit charakterisirende Dar-
stellungssorm zur Erscheinung zu bringen und so zugleich auf den
Sinn und das Auge reizend und fesselnd zu wirken.

Den folgereichsten und bedeutsamsten Ausgangspunkt einer rein
naturalistischen Behandlungswelse des Landschaftlichen bildeten die
ersten, selbständigen Arbeiten von Andreas Achenbach. — Was
Schirmer in jener Richtung "durch seinen Sinn, gediegenes Studium
und vollkommene Hingebung an die Natur erreichte, brachte Achen-
bach zugleich durch reiche, künstlerische Begabung zur Vollendung. —
Wo indeß, wie in Düsseldorf, das strengere Studium der Natur
überhaupt die allgemeine Basis künstlerischer Ausbildung ist, findet
sich weniger ein eigentliches Copiren fremder Art, doch aber kommt
jenes mehr oder minder bewußte Anfnehmen gewisser Darstellungs-
weisen vor, die, von ausgezeichneten Meistern geübt, den Werth
einer allgemeinen Gültigkeit in.sich tragen.

Die Mehrzahl der eingesandten düsseldorfer Landschaftsbilder
bekundet diesmal mehr, wie früher, einen, wenn auch mannigfach
individuell beschränkten, Anschluß au jene beiden, oben näher cha-
rakterisirteu Richtungen.

Mit zu den begabtesten mld strebsamsten Künstlern der neue-
sten Zeit gehören A. Leit und der Norweger Hans Gude. * *) In
ihren gelungensten Bildern äußerte sich zum erstenmale das Bestre-
ben, die Schirmer'sehe Auffassungsweise der Natur mit einer, aller-
dings überwiegend naturalistischen Darstettnngsform > wie sie Achen-
bach hat, in Einklang zu bringen. Es gelang vor Allen ihnen, das
von diesen Meistern Geleistete in sich aufzunehmen und, ihrer künst-
lerischen Individualität gemäß, selbständig zu verarbeiten. So wur-
den sie Vermittler zwischen der Idealität Schirmer's und dem Na-
turalismus Achenbachs. Dies, so wie ihre künstlerische Vollendung
überhaupt, mußte ihnen mit Recht nach beiden Seiten hin den
Erfolg sichern, den sie denn auch im vollsten Maaße bei Laien und
Künstlern erreichten. Hierdurch aber wurden diese Werke wiederum
eine wesentliche Grundlage für das fernere Studium der Düsseldor-
fer Landschaftsmaler und, für die Schule selbst, so zu sagen, Ton
angebend. **) Dies bezeugen denn auch die meisten Landfchaftsge-
ymlde derselben, und so auch die, welche die Ausstellung schmücken.
In ihnen klingt wesentlich, in einer mehr oder minder selbständig-
künstlerischen Verarbeitung, jene Schirmer - Achenbach'sche oder, be-
stimmter gefaßt, jene Gude- und Leu'sche Behandlungsweise deut-
lich wieder.

Unter die hervorragendsten Leistungen der Düsseldorfer Land-
schaftsmaler zählen wir, auf der gegenwärtigen Ausstellung, nächst
jenem, schon oben erwähnten Bilde von Weber, den „Schweizersce"
von W. Portmann und die „Aussicht auf das Meer" von Mor-
ten Müller. Beide zuletztgenannten Künstler zeigen in ihren
Werken nicht nur ein tiefes Eingehen in das Charakteristische des
Einzelnen, sondern auch eine überaus feine Beobachtungsgabe der-
jenigen Bedingungen, unter denen sich das Einzelne, dem darzustet-
leuden Naturmomente in Beleuchtung, Tageszeit u. f. w. entsprechend,
zu einer harmonischen Totalwirkung unterzuordnen hat. Namentlich
zeichnet sich das Bild von Morten Müller durch einen Neichthum
von Motiven aus, die, wenn sie ihm die wirkliche Scenerie der
Natur auch darbot, doch so glücklich im Bilde verarbeitet find, daß
wir neben der Wahl des Stoffes zugleich auch dessen künstlerische
Gestaltung zu rühmen haben. Mit meisterhaftem Geschick ist hier
nämlich das vielfach durchschnittene, über- und nebeneinander ge-
schobene Terrain des Vorgrundes in Form und Farbe behandelt.
Durch zarteste Nüancirung der Lustperspektive ist es mit dem tiefer
liegenden Mittelgrund geeinigt und dieser wiederum, in reicher Ab-
wechselung von Licht, Schatten und Helldunkel mit dem sich weithin
erstreckenden, lustigen Hintergründe zu einem geschlossenen Ganzen

*) Leider hat keiner von Beiden ein Bild auf die Ausstellung gesandt.

*) Wie wir hören, soll Gude die Stelle von Prof. Schirmer, der nach

Karlsruhe berufen wurde, fortan einnehmen.
 
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