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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0452
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färbe und großer Geschicklichkeit ausgelegt waren. Ein Trinktisch
von Eichenholz (M. Oppmann in Würzburg) mit sieben Trink-
gefäßen und dein nöthigen Krater in Form einer Weintonne in der
Mitte, war mit einem Schnitzwerk von Weinlaub sehr hübsch ver-
ziert, und nahm sich sehr wohlgefällig aus; nur werden wir wohl
nicht die Einzigen sein, welche die Tonne, ganz abgesehen von ihrem
möglichen Inhalt, und lediglich die gute Proportion in's Auge ge-
faßt, zu klein gefunden haben.

Aus dem Renaissancestyk war das Bemerkenswertheste ein Toi-
lettentisch mit Schreibeeinrichtung von Mahagonyholz von Friedr.
Wirth in Stuttgart. Die Form war edel und stattlich, dabei reich,
aber nicht überladen; mit geringerem Glücke, als das Architektonische
daran, war das Figürliche behandelt, z. B. zwei kleine nackte Genien,
welche als Lichthalter dienten, und die wir überdies zu sehr zurück-
gestellt erachteten, um nicht eine mangelhafte Beleuchtung fürchten zu
lassen; sonst machte das Ganze den Eindruck einer soliden Pracht.

Im Rokoko endlich glänzte A. Türpe in Dresden. Dresden
ist doch eine wahre Pflegstätte dieses Sthls geworden und geblieben;
man kann ihn sich nicht eigensinniger und reicher denken, als er hier-
in diesen Uhrgestellen und Tischen blüht, welche mit Metall, Perl-
mutter, Schildpatt und Emaille ausgelegt, und mit Darstellungen von
Vögeln, Früchten, Blumen, Jagdscenerien übervölkert sind. Sogar
diese Zeichnungen und die Skulpturfiguren daran tragen das Gepräge
des Sthls, und es ist nicht zu weit gegangen, wenn wir behaupten,
daß z. B. ein Jagdhund a la rococo schnüffelt. Soll es einmal
Rokoko sein, so finden wir es, wie gesagt, hier in seiner üppigsten
Blüthe, und wir wurden auf das Lebhafteste an das bekannte Ge-
dicht von Fried, v. Sallet erinnert, welches in so feinen Zügen den
Geist jener Zeit ausspricht, von der wir hier Formen vor uns sehen.

Aufgefallen ist uns, wie die Hamburger an einer Art Rokoko
festhalten, welchen wir den Rokoko im Stiefel nennen möchten; es
ist, als ob die Reichthum und edlen Stoff fordernde Form dieses
Sthls da Eingang gefunden hat, wo der Handel diese Bedingungen
zu erfüllen im Stande ist, und wo Prachtliebe und Ostentation zur
Willfährigkeit, diese Bedingungen zu erfüllen, antreibt. Es fehlt
aber dabei der eigenthümliche Geist, und so haben wir es hier mit
einer so zu sagen, etwas derbknochigen Formbildung zu thun.

Im Uebrigen ist den heutigen Möbeln ein bestimmter Sthl
nicht, zuzusprechen; geschwungene Formen ohne den Reichthum des
Rokoko, ohne seinen Esprit, wohl aber häufig mit seinem Eigensinn
behaftet, sind an der Tagesordnung. Zwei Unarten treten dabei
besonders zu Tage; erstens fehlt den Sopha's meistens die Lehne;
denn den Rückenschild, den man heutzutage gewöhnlich an beiden
Enden zu machen Pflegt, kann man kaum so nennen; in der Mitte
dagegen ist gewöhnlich so gut als gar nichts, und es muß dadurch,
abgesehen von der völligen Unbrauchbarkeit der Mittelparthie, alle-
mal ein unangenehmer leerer Raum an der Wand entstehen. Zwei-
tens werden die Stühle heutzutage meist mit so kleinen Sitzen ver-
sehen, und diese sind so hoch und rund gepolstert, daß sich darauf
niederzulassen beinahe eine Balancirübung ist. Die Lehne dient dabei
nur lediglich noch zum Transportiren des Stuhls, ist im Uebrigen
aber für ihren eigentlichen Zweck so unbequem wie möglich. Die
meisten Sopha's und Stühle also, statt daß sie durch ihre Form
die Einladung aussprechen sollten: „Setzen sie sich!" rufen uns zu:
„Thun sie, als ob sie säßen!" Auf diese Weise afsektiren sie eine
Bequemlichkeit, die sie gar nicht haben. Sie sind meist auf eine
unbequeme Visite, nicht aber auf einen behaglichen Besuch eingerich-
tet. Die vielen schwellenden und weichen Polster machen's nicht
immer aus; gerade sie können, namentlich im Sommer, recht lästig
sein. Nicht darauf kommt es an, daß der sich nach Ruhe sehnende
Theil des Körpers weich umhüllt, sondern, daß er bereitwillig unter-
stützt werde, und so achtet man viel zu wenig darauf, daß nament-

lich das Steißbein seine volle Unterstützung bekomme, welches deren
weit mehr bedarf als der Rücken, din sogenanntes Schildkanapee
mit sechs Stühlen und zwei Sesseln von Georg Barth in Aschaf-
fenburg bestätigt uns dies, indem der Meister auf seinen zier-
lichen Möbeln in dunklem Holze mit Blumenstickerei eine Polster-
lage angebracht hatte, welche die augedeutete Bequemlichkeit leisten
zu können schien. Schade, daß man das Anrühren der Gegenstände
nicht gestattete; denn hier war eine Einladung zum Sitzen. Was
die Stickerei anbettaf, so war sie fein und geschmackvoll ausgeführt:
farbige Blumen auf schwarzem Grunde. Natürlich halten wir in
Bezeig auf die Möbelstoffe auch am meisten von dem eigends für
den besonderen Zweck Gestickten oder Gewirkten. Wo das nicht
sein kann, ist einfarbiger Plüsch noch immer besser, als ein über
alle Verhältnisse großes Muster, wie man deren leider so oft be-
gegnet; obenein sind diese noch dazu meistens in verschiedenen und
sehr grellen Farben ausgeführt, was das Unruhige ihrer Erscheinung
bedeutend vermehrt, und dadurch in Widerspruch tritt mit dem
Zweck des Möbels. Einfarbige Ueberzüge sind immer die Besten,
weil sie am ruhigsten find; aber man muß dabei nicht auf so grund-
komische Ideen kommen, wie der Meister W. Härtling in Würz-
bnrg, der seine Stühle, und Sopha's überall an den Seiten und
Rücklehnen mit mächttgen Füllhörnern belegt hatte, aus denen ganze
Bündel von Früchten und Blumen hervorquollen, und zwar dies
Alles plastisch dargestellt in — rothem Plüsch. Ganz abgesehen von
der bedeutenden Geschmacklosigkeit, die sich darin kundthat, fühlten
wir im Voraus den Jammer der Hausfrau über diese Motten- und
Staubnester, und dabei sollte so ein Lehnstuhl 100 Gulden kosten.

Die solideste Garnitur von Sitzmöbeln hatte der Hoftapezier
Stöbel in Wien ausgestellt. Der Bau der Sopha's und der
Stühle war stark, groß und ans dem Vollen gearbeitet; die Form
voll Schwung, der Ueberzug von brauner Seide mit Blumenstickerei;
die Polsterung war reich, voll und einladend. Der große massive
Sophatisch hatte an seinen Kanten eine Messingeiufassung, welche
sehr gut zur Solidität des Ganzen paßte.

Am ideenreichsten und am originellsten und nmnnigsaltigsten in
seinen Ideen ist uns Johann Hassa, bürgerlicher Tapezier in Wien,
erschienen. Er hatte keinen einzigen Sessel ausgestellt, der nicht ei-
nen neuen, eigenthümlichen Einfall zeigte, und der nicht bekundet
hätte, daß sein Urheber bei aller Feinheit, Anmuth und Eleganz der
Ausführung die Theorie des Sitzens inne habe und ihr Rechnung
zu tragen wisse.

Von einzelnen Prachtstücken haben wir nachfolgende hervorzu-
heben: Der Schreinermeister Pössenbacher und der Tapezierer-
Steinmetz hatten ein großes Ehebett ausgestellt, welches mit fürst-
licher Pracht gebaut und angeordnet war. Es war reich mit Fi-
guren ausgeschnitzt und mit schweren grünen Vorhängen von Seide
versehen. Man konnte die Ornamente oben ein wenig zu schwer
und unten zu leicht finden, welches keinen guten Eindruck machte.

Der Matador unter den Kunsttischlern aber ist F. X. Fortner
in München, und seine Sachen verdienen eine nähere Beschreibung.
Da stand ein Zitterschrank sammt Tisch und Stuhl, der eine leib-
hafte Illustration des Kobell'schen Gedichtes „Der erste Zitherspieler"
zu nennen war. Die Zeichnung und der Entwurf dazu rühren von
Herwegen her, und es ist ein Gesellenstück von Eduard Winck-
ler. Das Ganze macht sich wie das Frontispice eines Hauses. Die
beiden Thüren zu dem eigentlichen Schranke liegen vertieft und zeigen
aus ihrer Fläche zwei sehr geschickt gearbeitete Darstellungen: Scenen
aus dem Gedichte. 'Oberhalb und unterhalb derselben ziehen sich
Spruchbänder hin, auf welchen das ganze hübsche Gedicht, mit alt-
deutscher Schrift geschrieben, zu lesen ist. Oben im Giebelfelde liegt
eine Zither, mit Epheu umschlungen; auf dem Dache aber tanzen
— von Holz ausgeschnitzt — Hans und Grete und der Bär. Die
 
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