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Deutsches Kunstblatt: Literaturblatt des Deutschen Kunstblattes — 1.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1203#0038
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Wir sehen ihn an seinem Schreibtische vor aufgethürmten Schul-
heften, an die er wie Prometheus am Kaukasus geschmiedet zu sein
sich beklagt. Corrigiren ist sein Leben und Leiden, seine einzige
Freude Kasperle; sein Diener und Getreuer, der ihm das Feuer
heizt und den Kaffee braut. Die Leiden des Geplagten zu mehren
erscheint ein Schülertroß, der ihm neue Arbeit bringt; zugleich aber
auch Faust, der ihn mahnt, auch der Gegenwart ihr Recht zu
schenken und ihn einladet, ihm zu den Literaten zu folgen, die heute
ihren Maskenball feiern. Wagner aber mag davon Nichts hören;
die Gegenwart hat keine Reize für ihn; er lebt nur der alten Zeit,
der Griechenwelt, die in besseren Tagen höheren Adel getragen. Er
beschwört seinen Meister, ihm einmal die vergangene Zeit herauf-
zuzaubern. Dieser vollführt unter lauter Begleitung der Musik
seine Beschwörung und auf treten in glanzvollen: Zuge die alten
Helden und Heldinnen, Odysseus und Penelope, Hektor und
Andromache, Nausikaa mit ihren Begleiterinnen u. s. w.
Letztere führen einen Tanz nach Griechischem Rythmus auf.' Wagner
ist entzückt; er findet, daß das Griechenvolk sich gerade so geriret,
wie er einst den betreffenden locum gründlich eppliciret habe. Er
redet die Heldeil und Heldinnen einzeln an, und da zeigt sich seine
wahre Natur und — eine seine Beobachtung des Dichters, welcher
zeigt, wie einem Pedanten, der dieses nie allein durch die Ver-
hältnisse wird, stets eine eigentlich gemeine Natur, ein kleiner Geist
zu Grunde liege. Die Griechen wenden sich mit Verachtung ab,
und als Wagner endlich gar der „soliden Wäscherin" ans philifter-
haste Weise seine Hand anträgt, da überwindet diese ihre jungfräu-
liche Schüchternheit und führt mit ihren Gefährtinnen ein Plänchen
aus, wodurch der Magister gefoppt und von allein Griechenthum
zurückgeschreckt wird. Man führt ihn: nämlich unter glänzenden
Lockungen verschleiert die Xanthippe zu, die er bald erkennt, und
von der er, sogar noch verachtet, sich nur mit Mühe losmacht, —
Wagner wird nun Germanist, er studirdDriinms Grammatik und

wird als Narr wohl ausgenommen; Wagner drängt sich vor und
wird wie oben zurückgestoßen. Er verzweifelt: „den Thoren nehmen
sie auf und den Weisen verachten sie, sie haben sich selbst gerich-
tet." Seine einzige Hoffnung ist noch in der Zukunft; er läßt Faust
keine Ruhe, bis er ihm auch diese zeigt. Ein übertriebenes Zerr-
bild der Gegenwart erscheint: Russenthum und civilisirte Barbarei;
Emanzipation der Jugend und des weiblichen Geschlechts; Civilehe
auf ein Jahr und Californische Goldwuth, schreibende Tische und
unterseeische Telegraphen-Eisenbahnen. Wagner verliert allen Glau-
ben und rafft nur noch in einer Erinnerung aus dem Alterthum
seinen letzten Muth zusammen, um wie Seueca sich die Ader zu
öffnen und wenigstens für seine Person ehrenvoll aus dem Spiele
zu scheiden. Er fordert von Faust eine Badewanne, dieser aber
winkt ungesehen und noch rechtzeitig erscheint der Genius der
Menschheit, wie er in allen Zeiten lebt. Dieser weist so kräftig
wie schön Wagnern in die Gegenwart zurück, die zwar kein Eden,
doch Gottes Land biete, das durch Arbeit und Vernunft in ein
Paradies umzuwandeln in unserer Macht stehe. Wagner hat soviel
menschliches Gefühl, das zu hören und zu begreifen. Er ist wie
umgewandelt, fühlt sich leicht und lebensfroh, eilt mit Faust zum
Ball und koimnt noch eben früh genug zur Polonaise.

Das Ganze würde, in zahlreicher Theilnahme — natürlich von
Dilettanten— aufgeführt, aber hatte vollkommenen Erfolg. Die Haupt-
rollen wurden gegeben, wie es nur zu wünschen war. Was dem
Ganzen etwa an Routine fehlte, ersetzte reichlich die natürliche An-
muth der Nürnberger Damen, so daß auch ein Kenner, wenn nicht
befriedigt, doch über alle Befriedigung hinaus entzückt sein mußte.
— Uebrigens that diese Aufführung schlagend dar, daß unsere Zeit
völlig reif für die Aristophanische Komödie ist, und daß nicht sowohl
das Feld, als der Ritter fehlt, der sich daraus umhertummelt. Es
giebt jetzt Fragen und Prinzipien genug, die das allgemeine Inter-

esse erregen und deren Behandlung auch polizeilich erlaubt ist. Wir
schwärmt für das Mittelalter. Faust beschwört ihm auch dieses, find sogar im Vortheil, daß wir deren noch mehr haben, als
Landgraf Hermann erscheint mit der Landgräfiu, umgeben ppnffAristophanes, und dazu als Folie einen noch reelleren Begriff der

Menschheit und Menschlichkeit. Wir dürften durchaus nicht allein,
wie es früher die Meinung war, auf Politik und Fürsten herum-
hämmern.

Rittern, Troubadours u. s. w. Ein Minnehof und Gesangwettstreit
wird in aller Form aufgeführt; Tänze in mittelalterlicher Weise
entfalten sich in reichster Pracht. Kasperle mischt sich ein und

i -• ' 1

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