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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 8.1901

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Osborn, Max: Die Van de Velde-Ausstellung in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6597#0046

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346

Dr. Max Osborn Berlin:


K. K. FACH-SCHULE TEPLITZ I. B.

Keramische Wand-Verkleidung (Gips-Modell).

glasierter Kacheln-Mantel durch eine trefflich
geschnittene grosse Messingthür effektvoll
unterbrochen wird. Nur die Tapete scheint
mir hier ein bischen unruhig. Das Flach-
ornament war von jeher van de Veldes
schwache Seite. Seine grosse Einseitigkeit,
jedes der Natur entnommene Motiv, ob es
nun aus der Flora oder der Fauna stamme,
zu verpönen, dieser mit merkwürdigem Starr-
sinn zum Dogma ausgebildete Lehrsatz, hat
ihm hier stets die grössten Schwierigkeiten
in den Weg gelegt. Am ehesten hat er
diese Schwierigkeiten in den neuen Mustern
für Teppich-Läufer überwunden, die bei sehr
guten koloristischen Eigenschaften im Orna-
ment schlicht und gefällig wirken. Auf
das Arbeits-Zimmer folgt ein grosser, haupt-
sächlich mit Vitrinen gefüllter Raum, den
der Künstler durch ein doppelseitiges hohes
Büchergestell mit Sitzbänken an der Fenster-
Partie geschickt geteilt hat. Für Berlin ist
dies alte, viel zu sehr vergessene Motiv sehr
wichtig, da die Zimmer in unsern entsetzlichen
neumodischen Miets - Kasernen wohl sehr
viele unnötige und störende Flügelthüren und
Fenster, aber nur sehr wenig brauchbare
Wandflächen und fast gar keine traulichen

Eckwinkel haben. Speziell für Berliner
Verhältnisse ist auch die diskrete Holz-
Verkleidung des breiten Fensters in dem
Speisegemach bemerkenswert; denn unsere
Esszimmer sind in den allermeisten Fällen
sogenannte »Berliner Zimmer«, d. h. Durch-
gangs-Räume mit einem einzigen Fenster,
das in einer Ecke liegt und nur spärliches,
durch gräuliche Tapezierer-Arrangements von
Vorhängen und Stores meist noch ver-
dunkeltes Licht gewährt. Es handelt sich hier
vor allem darum, das bischen Helligkeit,
das durch dies Fenster einzudringen vermag,
nach Möglichkeit zu retten. Die zierlichen,
praktischen, appetitlich-sauberen van de Velde'-
schen Speisezimmer-Möbel sind schon von
früher her bekannt. Durch ein kleines
Wohngemach mit einem für meinen Ge-
schmack nicht sonderlich gelungenen farbigen
Glasfenster und durch ein zweites Arbeits-
Zimmer mit einer Einrichtung aus rötlichem,
in zartem Seidenglanz schimmerndem Paduk-
holz gelangt man in ein Schlaf-Zimmer, das
mir als die Krone aller bisherigen Schöpfungen
van de Veldes auf dem Gebiete der Innen-
Dekoration erscheint. Hier herrscht der
vornehmste Geschmack. Die Möbelstücke,
 
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