Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 8.1901

DOI Artikel:
Wolff, Fritz: Bernhard Wenig - Berchtesgaden
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6597#0066

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zu jeder Zeit liegen einige grofje
Wahrheiten in der Luft; fie bilden
die geiftige flfmofphäre des 3ahr-
hunderts. (III. u. 6bner=Efchenbach.)

Bernhard Wenig « Berchtesgaden,


der Entwickelungs-Ge-
schichte aller unserer
heutigen auf dekorativem
Gebiet thätigen Künstler
gibt es den Moment, in
dem sie von der »hohen
Kunst« sich trennten und
sich ihrem von nun an eigentlichen Felde
zuwandten. Fast alle sind einmal Maler
gewesen. Es ist klar, dass es nun für ihre
Entwickelung sehr wichtig ist, wann für sie
der Augenblick der Erkenntnis kam. Man
wird sagen dürfen, je früher, desto besser.
Denn diese Abwendung von der Malerei
erfolgt in fast allen Fällen durch das in dem
Künstler plötzlich erwachende Einsehen, dass
er es darin nicht weiter bringen werde. Und
dass dieses Einsehen für alle, bei denen es
notwendig ist, gar nicht früh genug kommen
kann, ist sicher. Es ist das sozusagen eine
Verhinderung allzugrossen Blutverlustes.
Im ganzen ist es ja ein grosser Schaden
unserer Kunstzustände — worauf Lichtwark
erst neulich verwies, — dass der Künstler
heute erst mit achtzehn oder zwanzig Jahren
dazu kommt, sein Talent ernsthaft zu pflegen
und zu verwerten. Vorher absolviert er alle
m°glichen Schulen, meist das Gymnasium,
™ auen Eventualitäten vorzubeugen, und
(fnmt so in der Zeit zwischen seinem
nten und dem zwanzigsten Lebensjahre
1 dazu, seinem Beruf innerhalb seiner
eine organische Basis zu schaffen.

Erziehung e

Das ist schon für den Maler ein ungeheurer
Nachteil, das zeigen am besten die Zeiten,
in denen es anders war und ihr Fonds von
künstlerischer Kultur, der damals von der
erwachsenen Generation schon den halb-
wüchsigen Kindern übergeben werden
konnte. Viel grösser aber und viel ent-
scheidender ist der Schaden für den dekora-
tiven Künstler, für den es doppelt notwendig
ist, in den Jahren des besten und leichtesten
Lernens alles zu erwerben, was für ihn vor
allem in technischer Beziehung nötig ist,
damit er es in Bereitschaft hat, wenn die
gestaltende Kraft seines Talents in voller
Entfaltung sich hinzugesellen will. Das
Kunstwerk ist wirklich »das Resultat eines
bestimmten und zweckbewussten Kunst-
wollens, das sich im Kampfe mit Gebrauchs-
zweck, Rohstoff und Technik durchsetzt«.
Und wenn man diese drei Faktoren die
Reibungs - Coeffizienten innerhalb des Ge-
samt-Produkts genannt hat, so ist es eben eine
Haupt-Forderung, dass der Künstler von
jung auf und so früh als möglich eine Vor-
stellung von der Grösse und Wichtigkeit
dieser Reibungs-Coeffizienten in der Praxis
erwirbt. Was die Gegner der modernen
Bewegung vorwerfen können, sind Folgen
der Unkenntnis und daraus sich ergebender
Leichtfertigkeit von entwerfenden Künstlern,
die entweder nie oder zu spät über diese
Faktoren sich unterrichtet haben und der
Schaden, der der Modernen daraus erwächst,
 
Annotationen