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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 8.1901

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Wolff, Fritz: Bernhard Wenig - Berchtesgaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.6597#0068

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Bernhard Wenig—Berchtesgaden.

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ausweisen konnte. »Echt« war damals das
Losungswort. Da man aber nicht alles echt
machen konnte, z. B. einen Schreibtisch, so
war der Anlass zum Konflikt mit diesen
Prinzipien gegeben und immer mehr und
mehr stellte auch er sich auf den Standpunkt
des Gebrauchs-Bedürfnisses und der Material-
Eigenschaften. Die Arbeiten der ver-
schiedensten Art haben Wenig seither be-
schäftigt. Zuerst Möbel für die Möbel-Fabrik
E. Buschle in Stuttgart, dann wieder Entwürfe
für die Zeitschrift des Münchener Kunst-
gewerbe-Vereins, für die »Innen-Dekoration«,
für die »Deutsche Kunst und Dekoration«, für
die »Wiener Mode«. Zwischen hinein Ent-
würfe von Beleuchtungs-Körpern für Otto
Schulz in Berlin (von denen weiterhin noch
Jm Zusammenhang die Rede sein soll), Wand-
und Decken - Malereien in Berchtesgadener
Vülen, Zeichnungen für Ex libris, Titel-
blätter und alle möglichen Illustrationen.
Zuletzt die Ausführung von Entwürfen in
der Villa Louis Merck in Darmstadt.
Aus einer solchen Aufzählung könnte
man zunächst den Eindruck haben, dass
Wenig zu denen gehört, die heute alles
machen, das heisst, sich alles zumuten.
Thatsächlich kann ja diese Vielseitigkeit einer
ganzen Anzahl unserer heutigen dekorativen
Künstler, so erfreulich sie einerseits ist,
andererseits ein Verdachts-Moment abgeben.
Denn eine Generation von Universal-Genies
lst an sich nicht gerade wahrscheinlich.
Aber wenn man sich nicht verhehlt, wo
auch Wenig manchmal schon auf falsche
Jährte geraten ist, so ist doch andererseits
sicher, dass gerade die Grundlage und die
Zusammensetzung seines Talentes für ein
solch vielseitiges Schaffen geeignet erscheint.

Hält

man sich etwa die Belgier und das

deutsche Kunstgewerbe von heute (nur als
Begriffe, ohne an bestimmte Namen zu
denken) gegenüber, so wird man bei Ersteren
die Alleinherrschaft des Abstrakt-Konstruk-
tiven über alle malerischen Gesichtspunkte
ebenso als ein Extrem empfinden, wie man
sich sagen wird, dass umgekehrt bei den
Deutschen überzeugende Konstruktion in den
meisten Fällen noch nicht genügend zur
Geltung kommt, gegenüber allzu vielen
malerischen und ornamentalen Absichten.
Vielleicht dass Wenig, wie je einige andere
auch schon, hierin eine glückliche Mittel-
stellung sich erobert hat.
Gerade dass seine kunstgewerbliche Ver-
gangenheit zurückreicht in die Zeit der
Nachahmung der historischen Stile, hat ihm
einen natürlichen Fonds von architektonisch-
konstruktivem Gefühl oder Instinkt verschafft,
den er auch in aller Folgezeit sich bewahrt
hat. Er ist da wirklich gut daran. Seine
ursprüngliche Anlehnung an die Gotik und
an die deutsche Renaissance hat ihn für die
feindurchdachte innere Statik dieser Stile
sehr empfänglich gemacht; was ihn vor
Extravaganzen in dieser Hinsicht zu be-
wahren scheint und seinen Entwürfen einen
Eindruck von selbstverständlicher Sicherheit
und wirklicher Standhaftigkeit verleiht, wie
ihn das moderne Möbel trotz alle- und alledem
doch noch häufig vermissen lässt. So wirken
seine Sachen auch nicht als halbdurchdachtes
Experiment. Andererseits haben seine
Arbeiten nichts von der etwas anspruchs-
vollen Grossartigkeit, die man im heutigen
bürgerlichen Möbel eben nicht wünscht, der
er aber doch auch huldigte, solange er der
gotischen und Renaissance - Formen sich
bediente. Eine Beeinflussung durch die Formen
der Belgier ist dabei oft unverkennbar. Aber
 
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