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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 8.1901

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Wolff, Fritz: Bernhard Wenig - Berchtesgaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.6597#0070

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des wissenschaftlich-kritischen Auges betrachtet. Trotzdem hat
er andererseits nicht jene haltlose Sentimentalität, die Gallert-
und Schleim-Gebilde mit müden Aalbewegungen aus den
Pflanzen macht. In keiner Beziehung ist Wenig flacher Partei-
mann. So wird man ihm auch in den Fragen der Ornamentik
keine einseitige Stellung auf dieser oder jener Seite nachsagen
können. Man scheint ja die Absicht zu haben, da geradezu
einen Kampf der »Gesinnungen« zu inszenieren zwischen dem
naturalistischen Ornament und dem »Schnörkel«, und vielleicht
dauert es nicht mehr lange, bis man auch hier von den »unent-
wegten Kämpfern« hört, die »voll und ganz und unbeirrt das
Banner hochhalten« in dieser Gefolgschaft oder in jener. Es ist
gar nicht zu glauben, wie rasch aus Stürmern und Drängern
Reaktionäre werden, und so kann man heute schon Männer,
die vor sechs Jahren selbst noch die Angefochtenen waren aufs
eifrigste mit dem Anfechten von Nachgekommenen beschäftigt
sehen. Die Künstler selbst haben in Broschüren ihre Meinungen
für und wider in ausführlichster Weise geltend gemacht. Die
ganze Sache behält etwas Gemachtes. Und sieht man näher
zu, so steckt auch in diesen neuesten Kontroversen nichts als
die fatale Neigung, Gesetze zu machen. Über das Aufstellen
von sogenannten Unerlässlichkeiten, von Dingen, die der Künstler
soll oder muss, glaubte man doch eben hinaus zu sein, und die
einseitigen Vertreter des naturalistischen Ornaments brauchten
sich doch nur daran zu erinnern, wie ihnen vor Jahren zu Mute
war, als vor allem einige ältere Berliner Kunst-Orakel ihnen
mit ihrem Kodex entgegentraten, der eine seitdem höchstens
noch lächerlicher gewordene lange Reihe von solchen Kunst-
Tagesbefehlen erteilt. Ich meine, Wenig hat auch hier schon
als junger Mensch in diesen Fragen zu gut in die alten Stil-
welten geblickt, als dass er von dieser Kunst-Prinzipienreiterei
etwas verstände, die am Ende in persönlichen Zwistigkeiten
und Eifersüchteleien ihren letzten Grund hat. Man begegnet
in seinen Arbeiten dem »Schnörkel« ganz ebenso, wie dem aus
der Naturform entwickelten Ornament, und wenn die Herren
 
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