47
6
Margarete Bruns: Der Stil in der modernen Kleidung.
Thema Kopfbedeckungen nur noch be-
merken, dass es stillos ist, aus dem harten
Stroh dieselben Formen herauspressen zu
wollen, die uns der weiche Filz gibt. Die
Technik soll mit dem Material harmonieren
(nach Grundsatz 4 unserer aufgestellten
Paragraphen). Jedes Material hat aber seine
eigene Technik: So wird das Stroh genäht,
der Filz aber gepresst. Es ergibt sich daher
von selbst, das die Formen der Strohhüte
einfacher und eckiger sein müssen, als die
der Filz-Kopfbedeckungen. Nun aber auch
beim Stroh durch besonders mühsame Be-
arbeitung die weichen Formen des Filzes
herstellen zu wollen, besonders den beim
Filz sich von selbst ergebenden Einschnitt
des Hut-Kopfes, ist ebenso hässlich wie stillos.
Ich bin am Ende. Heute liegen einige
Abbildungen der nach Künstler - Entwürfen
ausgeführten Damenkleider, die auf einer
in Krefeld stattgehabten grossen allgemeinen
Ausstellung für das Bekleidungswesen eine
Sonder-Abteilung bildeten, vor mir. Nicht
ohne mich gründlich zu enttäuschen. Refor-
mierung des Besatzes und weiter nichts, im
übrigen aber die alten stillosen Handwerker-
Formen, wie sie die Phantasie eines Pariser
Schneiders ebensogut erfinden könnte und
zum Teil schon erfunden hat. Immerhin war
diese Ausstellung an sich sehr dankenswert.
Henry van de Velde verbreitert die
Schultern einer ohnehin schon kräftig ent-
wickelten Frau durch grosse Klappen und
verstärkt ihre Arme noch durch starke Puffen.
Anstatt uns aber den Anblick ihrer wahr-
scheinlich schön entwickelten Brüste zu
gönnen, drückt er diese durch eine ihre Form
ignorierende, viereckige, sehr tief sitzende
Passe so herunter, dass man sie zur Not
eben vielleicht noch ahnen kann.
Alfred Mohrbutter geht noch weiter.
Er bringt es fertig, uns eine alte, lang-
bekannte Schneider-Taille (ein Ding, das ohne
Stangen-Einlage und Korsett-Unterbau gar-
nicht zu tragen ist) als künstlerischen Entwurf
zu präsentieren und seine »stilvollen« Besätze
lustig mitten über beide Brüste laufen zu
lassen. Auch bei dem Entwurf der Frau
von Brauchitsch werden diese durch einen
breiten Kragen zur Hälfte verdeckt. Aber
hier ist der Schnitt des Rockes interessant
und, wie mir scheint, wohl geeignet, wenn
er aus einem weichen Stoffe hergestellt und
ohne Unterröcke getragen wird, die Form
der Beine prächtig zur Geltung zu bringen.
Ob die übrigen Entwürfe ihre Aufgabe
6
Margarete Bruns: Der Stil in der modernen Kleidung.
Thema Kopfbedeckungen nur noch be-
merken, dass es stillos ist, aus dem harten
Stroh dieselben Formen herauspressen zu
wollen, die uns der weiche Filz gibt. Die
Technik soll mit dem Material harmonieren
(nach Grundsatz 4 unserer aufgestellten
Paragraphen). Jedes Material hat aber seine
eigene Technik: So wird das Stroh genäht,
der Filz aber gepresst. Es ergibt sich daher
von selbst, das die Formen der Strohhüte
einfacher und eckiger sein müssen, als die
der Filz-Kopfbedeckungen. Nun aber auch
beim Stroh durch besonders mühsame Be-
arbeitung die weichen Formen des Filzes
herstellen zu wollen, besonders den beim
Filz sich von selbst ergebenden Einschnitt
des Hut-Kopfes, ist ebenso hässlich wie stillos.
Ich bin am Ende. Heute liegen einige
Abbildungen der nach Künstler - Entwürfen
ausgeführten Damenkleider, die auf einer
in Krefeld stattgehabten grossen allgemeinen
Ausstellung für das Bekleidungswesen eine
Sonder-Abteilung bildeten, vor mir. Nicht
ohne mich gründlich zu enttäuschen. Refor-
mierung des Besatzes und weiter nichts, im
übrigen aber die alten stillosen Handwerker-
Formen, wie sie die Phantasie eines Pariser
Schneiders ebensogut erfinden könnte und
zum Teil schon erfunden hat. Immerhin war
diese Ausstellung an sich sehr dankenswert.
Henry van de Velde verbreitert die
Schultern einer ohnehin schon kräftig ent-
wickelten Frau durch grosse Klappen und
verstärkt ihre Arme noch durch starke Puffen.
Anstatt uns aber den Anblick ihrer wahr-
scheinlich schön entwickelten Brüste zu
gönnen, drückt er diese durch eine ihre Form
ignorierende, viereckige, sehr tief sitzende
Passe so herunter, dass man sie zur Not
eben vielleicht noch ahnen kann.
Alfred Mohrbutter geht noch weiter.
Er bringt es fertig, uns eine alte, lang-
bekannte Schneider-Taille (ein Ding, das ohne
Stangen-Einlage und Korsett-Unterbau gar-
nicht zu tragen ist) als künstlerischen Entwurf
zu präsentieren und seine »stilvollen« Besätze
lustig mitten über beide Brüste laufen zu
lassen. Auch bei dem Entwurf der Frau
von Brauchitsch werden diese durch einen
breiten Kragen zur Hälfte verdeckt. Aber
hier ist der Schnitt des Rockes interessant
und, wie mir scheint, wohl geeignet, wenn
er aus einem weichen Stoffe hergestellt und
ohne Unterröcke getragen wird, die Form
der Beine prächtig zur Geltung zu bringen.
Ob die übrigen Entwürfe ihre Aufgabe