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Margarete Bruns: Der Stil in der modernen Kleidung.
hans sandreuter—basel.
»Der Einsiedler*.. Oel- Gemälde.
glücklicher lösen? Ich wage es nicht zu
hoffen. Aber unbegreiflich ist es mir, wie
Künstler, die nicht einen Beschlag eines
Möbels zeichnen würden, der nicht so zu
sagen organisch mit dem Ganzen verwachsen
wäre, es fertig bringen, das Kleid als irgend
einen Gegenstand zu behandeln, den man
beliebig dekorieren kann, seine Zugehörig-
keit zum Körper vollständig vergessend.
Pierre Louys sagt in seiner Novelle
»Ein neuer Genuss«: »Heute, nach zehn-
tausend Jahren fruchtloser Bemühungen bei
allen Völkern, zeigt es sich, dass ein junges
Mädchen durch die Kunst des Schneiders,
der Stickerin und des Goldschmiedes nie
schöner werden kann, als wie es in seiner
göttererschaffenen Nacktheit sich zeigt.« Und
für das wohlgebildete Mädchen trifft das
zweifellos zu. Dennoch müssen wir uns be-
kleiden — um unseres Klimas willen.
Bleiben wir aber jener Wahrheit wohl
eingedenk, dass eine schöne Frau unbekleidet
am schönsten ist — wie Heine sagt — und
wählen wir unsere Kleidung so, dass sie
nicht unsern Körper entstellt und seine reine
Linienführung verzerrt, sondern dass sie seiner
Schönheit würdig sei und ihn schmücke!
Die Kleidung sei ein ästhetischer
Schmuck! In den heissen Himmelsstrichen
kleidet man sich nur, um sich zu schmücken:
um zu gefallen! Und die ganze Natur zeigt,
dass der Schmuck der Körper - Bekleidung
(Gefieder der Vögel, Farbenpracht der In-
sekten) fast ausschliesslich diesem Zwecke
dient: der Erregung des Wohlgefallens am
einen Geschlechte beim andern. Also kleide
das Weib sich so, dass es dem Manne, der
Mann so, dass er dem Weibe wohlgefalle!
Werden wir uns doch endlich des Wertes
unserer nackten Schönheit wieder freudig
bewusst, und kleiden wir uns nicht mehr, um
sie zu entstellen, sondern um sie zu schmücken,
nicht um sie zu verbergen, sondern um sie
zu offenbaren ! Margarete Bruns—Minden.
£
NACHWORT DER REDAKTION.
Wenn wir auch nicht mit allen Ein-
zelheiten vorstehender Ausführungen durch-
aus einverstanden sind, so glauben wir
doch, dass sie als Anregungen Gutes wirken
können. Wir werden auf das Thema zurück-
kommen bei Besprechung einiger auf der
Darmstädter, Dresdener und Berliner Aus-
stellung vorgeführten Damen-Kleider.
Margarete Bruns: Der Stil in der modernen Kleidung.
hans sandreuter—basel.
»Der Einsiedler*.. Oel- Gemälde.
glücklicher lösen? Ich wage es nicht zu
hoffen. Aber unbegreiflich ist es mir, wie
Künstler, die nicht einen Beschlag eines
Möbels zeichnen würden, der nicht so zu
sagen organisch mit dem Ganzen verwachsen
wäre, es fertig bringen, das Kleid als irgend
einen Gegenstand zu behandeln, den man
beliebig dekorieren kann, seine Zugehörig-
keit zum Körper vollständig vergessend.
Pierre Louys sagt in seiner Novelle
»Ein neuer Genuss«: »Heute, nach zehn-
tausend Jahren fruchtloser Bemühungen bei
allen Völkern, zeigt es sich, dass ein junges
Mädchen durch die Kunst des Schneiders,
der Stickerin und des Goldschmiedes nie
schöner werden kann, als wie es in seiner
göttererschaffenen Nacktheit sich zeigt.« Und
für das wohlgebildete Mädchen trifft das
zweifellos zu. Dennoch müssen wir uns be-
kleiden — um unseres Klimas willen.
Bleiben wir aber jener Wahrheit wohl
eingedenk, dass eine schöne Frau unbekleidet
am schönsten ist — wie Heine sagt — und
wählen wir unsere Kleidung so, dass sie
nicht unsern Körper entstellt und seine reine
Linienführung verzerrt, sondern dass sie seiner
Schönheit würdig sei und ihn schmücke!
Die Kleidung sei ein ästhetischer
Schmuck! In den heissen Himmelsstrichen
kleidet man sich nur, um sich zu schmücken:
um zu gefallen! Und die ganze Natur zeigt,
dass der Schmuck der Körper - Bekleidung
(Gefieder der Vögel, Farbenpracht der In-
sekten) fast ausschliesslich diesem Zwecke
dient: der Erregung des Wohlgefallens am
einen Geschlechte beim andern. Also kleide
das Weib sich so, dass es dem Manne, der
Mann so, dass er dem Weibe wohlgefalle!
Werden wir uns doch endlich des Wertes
unserer nackten Schönheit wieder freudig
bewusst, und kleiden wir uns nicht mehr, um
sie zu entstellen, sondern um sie zu schmücken,
nicht um sie zu verbergen, sondern um sie
zu offenbaren ! Margarete Bruns—Minden.
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NACHWORT DER REDAKTION.
Wenn wir auch nicht mit allen Ein-
zelheiten vorstehender Ausführungen durch-
aus einverstanden sind, so glauben wir
doch, dass sie als Anregungen Gutes wirken
können. Wir werden auf das Thema zurück-
kommen bei Besprechung einiger auf der
Darmstädter, Dresdener und Berliner Aus-
stellung vorgeführten Damen-Kleider.