Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten (8.1901)

Osborn—Berlin :

488 Dr. Max


hans sandreuter—basel. Atelier■ Schrank.
tesseR uRy-BCRtm,
Der Künstler, dem diese Zeilen gewidmet
sind, gehört zu der kleinen Schar eigen-
williger Naturen im heutigen Deutschland,
die abseits von allen Parteien, Gruppen und
Cliquen ihren Sonderweg gehen, in dauern-
dem, aufreibenden Kampfe mit der Kunst,
den Kollegen, der Kritik und dem Publikum.
Es kann nicht Wunder nehmen, dass es solchen
Persönlichkeiten nicht so bald gelingt, sich
im Kunst-Leben die Stellung zu erringen,
die ihrer Begabung entspricht. Auch Ury's
Freundes-Kreis ist noch kein grosser. Aber
die wenigen, die zu ihm halten, hegen die
feste, ja die heilige Uberzeugung, dass die
Zukunft einmal bitter bereuen wird, was die
Gegenwart heute an diesem Künstler sündigt.
Ury's Eigenart führt weit ab von der deko-
rativen Art der Malerei, die in diesen Heften

vornehmlich gepflegt wird. Es kann darum
seinem Schaffen hier nur ein verhältnismässig
kurzer Überblick gewidmet werden.
Lesser Ury ist einer von den deutschen
Malern, die zu Anfang der achtziger Jahre
zuerst die modernen Lehren des Freilichts
und des Impressionismus von Westen her
zu uns hereinbrachten und mit unablässiger
Energie verfochten. Er war, im Jahre 1862
in einem kleinen Neste der Provinz Posen
geboren, zuerst Kaufmann, ging aber bald
zur Kunst über und machte sich auf die
Wanderschaft. Zunächst ging er nach Düssel-
dorf, dann nach Brüssel, Antwerpen und
Paris, wo der Anfänger die modernen Gesetze
an der Quelle studierte, schliesslich nach
Stuttgart und München, wo damals gerade
der Kampf gegen den deutschen Schlendrian
entbrannte. Ury's Bilder aus jener Zeit:
Landschaften, Bauern - Höfe, Dorf - Szenen,
Interieurs, waren von einem Temperament,
einer Leuchtkraft und Energie der Farbe,
wie man sie in jenen Jahren bei uns kaum


hans sandreuter—Basel. Schreib-Tisch.